Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Uraufführung: HERZ AUS GLAS nach dem gleichnamigen Drehbuch von Herbert Achternbusch - Residenztheater München Uraufführung: HERZ AUS GLAS nach dem gleichnamigen Drehbuch von Herbert...Uraufführung: HERZ AUS...

Uraufführung: HERZ AUS GLAS nach dem gleichnamigen Drehbuch von Herbert Achternbusch - Residenztheater München

Premiere 03. Juli 2021, 20 Uhr, Marstall

Das Steigen der Meere, das Sterben der Wälder und sogar die beiden Weltkriege soll der Waldprophet Mühlhiasl, der angeblich im 16. Jahrhundert in der Gegend von Straubing gelebt hat und als bayerischer Nostradamus in die Sagenwelt des Bayerischen Waldes eingegangen ist, vorhergesagt haben. Der Dramatiker, Autorenfilmer und Poet Herbert Achternbusch bedient sich dieser Legende, um von einer Gesellschaft zu erzählen, der zur Wahrung ihres Wohlstands jedes Mittel recht ist: Denn vom Ruhm des teuren Rubinglases der ortsansässigen Manufaktur lebt das ganze Dorf – nur, dass der soeben verstorbene Glasmeister die geheime Rezeptur mit ins Grab genommen hat.

 

Der eilends zur Abhilfe einbestellte Kuhhirte Hias bestätigt die ihm zugeschriebenen hellseherischen Fähigkeiten, indem er zur Stelle ist, bevor überhaupt nach ihm gerufen wurde. Angetrieben von seinen düsteren Prophezeiungen einerseits und vom tyrannischen Glashüttenherrn Goldfinger andererseits, gerät das ganze Dorf in Aufruhr und ist bald bereit, dem Reichtum den Seelenfrieden zu opfern.

«Herz aus Glas», 1976 von Werner Herzog verfilmt, vereint ein dörfliches Gesellschaftsporträt mit einer zivilisatorischen Großansicht im Geist der sich damals organisierenden Umweltbewegungen: Achternbusch erzählt von der Industrialisierung als einer Menschheitsepoche, die letztendlich von Egoismus angetrieben wird und ihre fadenscheinige Rechnung ohne die gewaltigen Kräfte der Natur gemacht hat – eine Sichtweise, die aktuelle Prognosen nur unterstreichen. Die Regisseurin Elsa-Sophie Jach adaptiert Achternbuschs Drehbuch für die Bühne und gibt damit ihr Debüt in München

Zum Autor Herbert Achternbusch
Geboren am 23. November 1938 in München, wuchs er bei seiner Großmutter in Mietraching im Bayerischen Wald auf. Er studierte an der Kunstakademie in Nürnberg und München, fertigte Plastiken, malte und schrieb Gedichte, die er 1964 erstmals veröffentlichte. Sein Erstlingsroman «Die Alexanderschlacht» (1971) wurde als bahnbrechend für die Avantgarde der jungen deutschen Literatur in den 1970er und 1980er-Jahren aufgenommen. 1977 wurde ihm der Petrarca-Preis verliehen, als Protestaktion verbrannte er jedoch bei der Preisverleihung den Scheck mit dem Preisgeld. Anfang der 1970er-Jahre lernte Achternbusch die Filmemacher Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta kennen, die ihn in seiner Arbeit bestärkten. Er spielte Rollen in Werner Herzogs Kinofilm «Jeder für sich und Gott gegen alle» (1974) und Volker Schlöndorffs Fernsehfilm «Übernachtung in Tirol» (1974). Mit «Das Andechser Gefühl» erschien 1974 sein erster Kinofilm als Regisseur. Danach verfasste Achternbusch das Drehbuch zu «Herz aus Glas», das 1976 von Werner Herzog verfilmt wurde, mit Josef Bierbichler in der Rolle des Hias. 1978 wurde sein erstes Theaterstück «Ella» am Staatstheater Stuttgart uraufgeführt, es folgten u. a. «Gust» (UA 1979, Comédie de Caen, ausgezeichnet mit dem Mülheimer Dramatikerpreis) und «Susn» (UA 1980, Schauspielhaus Bochum).

Herbert Achternbusch gilt als bedeutender Vertreter des deutschen Autorenfilms der 1970er-Jahre und bricht mit seinen Filmen bewusst gesellschaftliche Tabus. 1982 löste sein Film «Das Gespenst» nach Blasphemie-Vorwürfen einen Skandal aus. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) entschied, den Film nicht freizugeben, nach kurzer Zeit revidierte sie ihre Entscheidung, es kam jedoch zu Protestaktionen in den Kinos. Achternbusch hat über 30 Filme gedreht, an die 50 Bücher und 20 Theaterstücke geschrieben. 2002 erschien sein bisher letzter Film «Das Klatschen der einen Hand». Er trat aber weiterhin als Autor von Lyrik und Prosa in Erscheinung, schrieb Kinderbücher und für die Süddeutsche Zeitung Film- und Theaterkritiken. Mit der Ausstellung «Das Ich ist ein wildes Tier» wurde er 2007/2008 in der Münchner Monacensia für sein Lebenswerk geehrt.

Inszenierung Elsa-Sophie Jach
Komposition und Musikalische Leitung Max Kühn
Bühne Marlene Lockemann
Kostüme Johanna Stenzel
Licht Martin Feichtner
Dramaturgie Stefanie Hackl

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 18 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

FURCHT VOR DER FREIHEIT -- Neue Reihe "Studio goes Politics" im Studiotheater STUTTGART

Die Kabarettistin Stephanie Biesolt eröffnete zusammen mit der Schauspielerin Marion Jeiter diese neue Kabarett-Reihe im Studiotheater. Dabei wurde die AfD aufs Korn genommen. Beim "Angriff auf…

Von: ALEXANDER WALTHER

GESPENSTER UND ATEMLOSE SPANNUNG -- "Falsche Schlange" von Alan Ayckbourn im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

Eine Prodfuktion von Tournee-Theater Thespiskarren - Theater im Rathaus Essen. - In der subtilen Regie von Gerit Kling bekommt dieser Psycho-Thriller rasch scharfe Kontur. Annabel Chester kehrt nach…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUCH DIE BILDENDE KUNST IST PRÄSENT -- Ludwigsburger Schlossfestspiele 2025

Die Festspielzeit 2025 wird am Samstag, 31. Mai 2025 mit dem Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Joana Mallwitz im Forum am Schlosspark eröffnet. Neben Schuberts "Großer C-Dur-Sinfonie"…

Von: ALEXANDER WALTHER

FEINE SCHWINGUNGEN -- "Wege in die Gegenwart" - Gitarrenmusik des 20. und 21. Jahrhunderts im Kammermusiksaal der Musikhochschule STUTTGART

Gitarren-Musikstudenten der Klasse von Tillmann Reinbeck stellten sich im Kammermusiksaal der Musikhochschule vor. Der Abend begann mit "Quatre pieces breves" aus dem Jahre 1933 von Frank Martin. Das…

Von: ALEXANDER WALTHER

PEITSCHENDE RHYTHMEN -- Symphonieorchester unter Juraj Valcuha im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Ein sehr russisches Programm präsentierte das glänzend disponierte SWR Symphonieorchester unter der Leitung des slowakischen Dirigenten Juraj Valcuha diesmal in der Liederhalle. Zunächst erklang die…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑