Was diese animierte Gestalt dabei zu ihrem Partner macht, sind all seine digitalen Hinterlassenschaften: Textnachrichten, Voicemails, gepostete Bilder. Und eine gut programmierte Software, die seinen Charakter anhand dieses Materials fortschreibt.
So bekommt diese Liebe eine zweite Chance und kämpft dennoch mit Herausforderungen. Alten und neuen. Wessen Erinnerung ist am Ende die wahre, wo sich verschiedene Bilder vom selben Moment gegenüberstehen? Der Hamster Goldie meint auf jeden Fall: seine eigene, denn als Haustier des Paares hat alleine er den Überblick. Er schreibt seine Version der Geschichte und erzählt von der Beziehung, die zwei ganz verschieden erlebten.
Mit „Goldie. Ein digitales Requiem“ schreibt und inszeniert Emre Akal die Fortsetzung einer Liebesbeziehung unter der Teilhabe künstlicher Intelligenzen. Dabei lässt sich nicht nur die Protagonistin auf diese technische Entwicklung ein: Das gesamte Ensemble wagt den Versuch einer live produzierten Theaterarbeit mit den Mitteln des Motion Capture, Face-Tracking, Synchronisation, einer VR-Brille auf der Bühne und ihrer Projektion für alle, in einer kontinuierlichen Wechselbeziehung aus Illusion und Making-of. Bereits im Schreibprozess kamen KI-Technologien wie ChatGPT und Bing zum Einsatz. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen in dieser fortlaufenden Zusammenarbeit, bis sie nicht mehr zu lösen sind. Denn was genau soll es denn sein, das Wesen des Menschen?
Emre Akal lebt als Autor und Regisseur in München. Seine Arbeiten waren u. a. an den Münchner Kammerspielen, am Maxim Gorki Theater Berlin, Thalia Theater Hamburg, Schauspiel Leipzig und in der freien Szene in München, Stuttgart und Wien zu sehen. Für seinen Theatertext „Hotel Pink Lulu — Die Ersatzwelt“ erhielt er 2020 den exil-Dramatiker*innenpreis der WIENER WORTSTAETTEN. Als Regisseur wurde er 2020 mit dem Förderpreis für Theater der Stadt München ausgezeichnet. Im Jahr 2021 verband sich Akal längerfristig mit den Münchner Kammerspielen und brachte dort die Produktion „Göttersimulation“ als Autor und Regisseur zur Uraufführung. Für das Theater Münster schrieb und inszenierte er das Projekt „Nachkommen — Ein lautes Schweigen“ über das Leben an der Grenze von Digitalität und Analogizität.
Inszenierung: Emre Akal
Bühne & Kostüme: Sabine Born
VR-Design & Programmierung: Paul Schengber, Emma Chapuy
Musik: Sophie Constanze Polheim, Henrik Rohde
Dramaturgie: Marleen Ilg
Bühnenmeister & Licht: Mattheo Fehse
Besetzung
Wenzel Banneyer, Alina-Katharin Heipe, Niklas Wetzel, Nicole Widera
Die Inszenierung beinhaltet die komplette Spieldauer über großflächige Projektionen mit teilweise schnellen Bildwechseln. Diese können einen ähnlichen Effekt haben wie Stroboskoplicht.