30 Jahre nach dem „deutschen Herbst“ vermag uns die Geschichte der RAF offenbar immer noch zu verletzen. Warum? Es geht nicht um kriminalistische Details ungelöster Fäl-le. Es geht um die Bewertung unserer jüngsten Geschichte, unseres politischen Selbstverständnisses und die vermeintliche Alternativlosigkeit der politischen Gegenwart.
Warum leidet die Gesellschaft unter einem massiven Mangel an effektivem Zorn auf die eigenen Zustände? (Peter Slo-terdijk) Ist unser Staat „besser“ geworden?
Zwei aktuelle Produktionen im Spielplan untersuchen den „Mythos RAF“ aus unterschiedlichen Perspektiven: Katrin Hentschels Doku-Fiktion „Terroristinnen – Bagdad `77“ und Elfriede Jelineks „Ulrike Maria Stuart“.
„Terroristinnen“ stellt die Frage, ob es einen speziell weiblichen Weg in den Terror gegeben hat. Wie hat sich das Verhältnis von gesellschaftlicher Analyse und gegen Misstände angewendeten Mitteln radikalisiert und schließ-lich entkoppelt? Wie würde unsere Analyse heute ausfallen? Elfriede Jelineks sprachlicher Amoklauf ist dagegen eine gnadenlose Abrechnung mit drei Generationen: den Großel-tern, den zwei Königinnen Ulrike Meinhof und Gudrun Ens-lin, und ihren Kindern.
Im Anschluss an die zwei Theaterproduktionen diskutieren wir mit einem kontroversen Podium über die Möglichkeit und Legitimität von Widerstand damals und heute. Der ehemalige Innenminister Gerhard Baum (FDP), der 2004 und 2006 an erfolgreichen Verfassungsbeschwerden gegen den „großen Lauschangriff“ und gegen das „Luftsicherheitsgesetz“ be-teiligt war, trifft auf die beiden ehemaligen RAF-Mitglieder Peter Jürgen Book und Astrid Proll.
Wann hat die RAF endgültig ihre Legitimität bei der Linken verloren? Was war vorher? Worauf zielte die gesellschaft-liche Vision der RAF? Als weiteren Gast erwarten wir den Willi Winkler, Autor des Werkes „Die Geschichte der RAF“ (Rowohlt-Verlag, 2007).