Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"The Prisoners Dilemma" in Tübingen"The Prisoners Dilemma" in Tübingen"The Prisoners Dilemma"...

"The Prisoners Dilemma" in Tübingen

Premiere am 24. März 2006, 20 Uhr, Neues Landratsamt Tübingen (Wilhelm-Keil-Str.)

Das neue Landratsamt wird Schauspielort eines Theaterprojekts des Landestheaters Tübingen. "The Prisoners Dilemma" ein Stück des Engländers David Edgar ist ein außergewöhnliches Projekt für einen außergewöhnlichen Spielort. Für diese Aufführungen haben sich die Theaterleute des Landestheaters bewusst einen öffentlichen Austragungsort gesucht. Mit den Möglichkeiten des neuen Landratsamtsgebäudes, einem politischen Orginalort sozusagen, kann tatsächlich ein theatrales Forum für politische Diskussionskultur geschaffen werden. Umgekehrt bekommt der Zuschauern einen persönlich erlebten Eindruck im Landratsamt. Das Haus verwandelt sich in eine Bühne.

 

Im postsowjetischen Raum hat sich ein (fiktiver) Staat namens Karkasien die Unabhängigkeit erkämpft. Karkasien seinerseits befindet sich im dauerhaften Krieg mit den Vertretern einer sog. drosdanischen Teilbevölkerung, die als ethnisch-religiöse Minderheit innerhalb der neuen Staatsfindung noch einmal eigene Separationsziele verfolgt, die die karkasische Regierung mit Militäreinsatz zu verhindern sucht.

Es kommt zu Verhandlungen. Die Drosdaner fordern den Abzug der Regierungstruppen, die Freilassung der politischen Gefangenen,' die Anerkennung der Drosdanischen Volksvertretung als offzielle Vertretung ihres Bevölkerungsanteils. Zudem den Stopp der Vergabe von Schürfrechten in Bezug auf Rohstoffvorkommen in drosdanischen Bergwerken (die Karkasen wollen, aus wirtschaftlichen Überlebensgründen, die Amerikaner ins Boot holen), sowie Stopp der Ausbeutung der drosdanischen Arbeiter in den Chromminen. Sie fordern auf einer weiteren Ebene ihre kulturelle und religiöse Autonomie, also z. B. Schulunterricht in eigener Sprache für die drosdanischen Kinder.

Die Vertreter Karkasiens ihrerseits fordern als Bedingung für jegliche weiteren Verhandlungen von den Drosdanen die Aufgabe der terroristischen Aktivitäten, wie z.B. die Entführung ausländischer Touristen oder die Drohung, die Bergwerke zu sprengen, bzw. Attentate und terroristische Anschläge jeglicher Art. Beide Parteien verhandeln mit internationaler Unterstützung - mal im Geheimen, mal offiziell- am runden Tisch. Fortschritte und Rückschläge dieser Verhandlungen zeigt der Autor David Edgar in einer hochkomplexen und gleichzeitig sehr anschaulich-spannenden Weise.

 

David Edgars fiktiver ,Fall' Karkasien ist natürlich angelehnt an die tatsächlichen Unabhängigkeitskämpfe der Länder der ehemaligen Sowjetunion (hier wäre insbesondere Georgien-Abchasien zu nennen), enthält jedoch auch Aspekte, die in fast jedem ethnisch-nationalen Konflikt zu beobachten sind, ¬auf dem Balkan, aber auch in Nahost, Afghanistan oder in Südafrika, denn ethnisch-religiöse Auseinandersetzungen, ökonomische Verteilungskämpfe und die Provokation durch Unterdrückung von kultureller Identität einer Minderheit erzeugen überall auf der Welt eine ähnlich Form der Kriegsführung.

 

Edgars Stück lässt uns insofern teilhaben an einer komplexen Diskussion politischer Zusammenhänge, an einem harten Verhandlungspoker um ein friedliches Zusammenleben in multi-ethnischen Räumen.

 

Ein besonderer Reiz des Stückes liegt nun darin, es an einen Ort zu tragen, der tatsächlich ein politisches Forum darstellt. Einen Glücksfall für dieses Vorhaben bietet die Zusammenarbeit des LTTs mit dem Kreis Tübingen, durch die es möglich wird, im neuen Landratsamt in Tübingen zu spielen.

Hier ist es möglich, die Politik, die im Stück verhandelt wird, durch das Theater an die Bürger von Stadt und Kreis direkt heranzutragen. Die Räumlichkeiten des Landratsamtes sind dafür optimal: Mit dem dortigen Plenarsaal, mit den Fraktionsräumen, dem Foyer, der Tiefgarage und Außen bereichen bildet dieser politischer Originalort ein theatrales Forum für die politischen Handlungs- und Diskussionslinien des Stückes.

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 17 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

BERÜHRENDE STIMMUNGSBILDER -- "Georgian on my mind" bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Dies war eine besondere Hommage an Georgien. Giorgi Gigashvili (Klavier, Gesang) und Nini Nutsubidze (Gesang) gestalteten das spannungsvolle Programm von "Georgian on My Mind". Zunächst spielte Giorgi…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT SPHÄRENHAFTER LEICHTIGKEIT -- Klavierabend Elisabeth Leonskaja bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Die in Tiflis geborene Russin Elisabeth Leonskaja gehört seit Jahrzehnten zu den gefeierten Pianistinnen unserer Zeit. Mit ihrem Schubert-Abend überzeugte sie das Publikum im leider nicht voll…

Von: ALEXANDER WALTHER

RAP GEGEN RASSISMUS -- The LittmannSessions: Pop-Gala in der Staatsoper STUTTGART

Die visionäre Pop-Gala war auch in diesem Jahr wieder ein voller Erfolg. Präsentiert von der Staatsoper Stuttgart (Junge Oper) und dem Pop-Büro Stuttgart starteten die "Littmann-Sessions" nun in die…

Von: ALEXANDER WALTHER

VON STAR WARS BIS ZU HARRY POTTER -- Anne-Sophie Mutter bei den Schlossfestspielen LUDWIGSBURG

Zwar war der Schlosshof nicht ganz besetzt, doch es kamen viele Zuhörer zum Konzert "Across the Stars" mit Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter, die an diesem Abend zusammen mit dem glänzend disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

ZAUBERREICH DES MÄRCHENS -- Klavierabend mit Alexander Gadjiev im Ordenssaal bei den Schlossfestspielen LUDWIGSBURG

Der Pianist Alexander Gadjiev ist am italienisch-slowenischen Grenzort Gorizia aufgewachsen und mehrfacher Preisträger (unter anderem beim berühmten Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau).…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑