Anlässlich einer Ausstellung zum Werk von Yvonne Rainer im Kölner Museum Ludwig waren im Tanzhaus NRW in Düsseldorf zwei ihrer Stücke als deutsche Erstaufführung zu sehen. Yvonne Rainer gründete 1962 zusammen u. a. mit Trisha Brown und Meredith Monk das Judson Dance Theater, in dem der postmoderne Tanz seinen Ursprung hat. Damals geradezu revolutionär war die Integration von Alltagsgesten und -bewegungen in etablierte Tanzformen. Eine neue tänzerische Ausdrucksweise spiegelte das gesellschaftliche Zeitbefinden und die Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre wider. Die beiden jetzt gezeigten Choreographien entstanden allerdings in jüngster Zeit, "Spiraling Down" wurde 2008 und "Assisted Living: Good Sports" 2011 uraufgeführt. Dennoch meint man den Geist vergangener Jahre zu spüren.
Während "Spiraling Down" Maurice Ravels Bolero als musikalische Grundlage hat, dient dazu bei "Assisted Living: Good Sports 2" eine Klangcollage aus verschiedenen sich akustisch überlappenden Musikrichtungen so u. a. von Vivaldi und Gluck, diversen Koloraturarien, amerikanischen Schlagern, Pop von Ike und Tina Turner, Vaudeville, etc. Allerdings nimmt die Choreographie auf diese Klänge wenig Bezug. Die sich repetierenden Bewegungsabläufe vollziehen sich weitestgehend um den quadratischen Bühnengrund, manchmal erstarren die Tänzer sekundenlang in Grimassen. Beiden Werken gemeinsam ist ferner der Bezug auf Bewegungsabläufe aus dem Sportbereich. Die Tänzer bringen das mit einer außerordentlichen Leichtigkeit dar. Die ständige Tatzenbewegung der Hände in "Assisted Living: Good Sports 2" wird lange in Erinnerung bleiben. Und nicht zuletzt spielt der Vortrag von Text eine große Rolle. In "Spiraling Down" wird u.a. aus Murakamis Studie über das Laufen zitiert.
Nun möchte man gerne wissen, wie sich das Ganze - Text, Musik, Bewegung - zueinander verhält. Die Antwort ist einfach: gar nicht, es ist beziehungslos. Yvonne Rainers Anliegen ist nicht die Sinnsuche oder gar die Sinnstiftung, sondern die unbekümmerte Darstellung von Simultanität. Das ist simpel, birgt aber auch die Gefahr der Beliebigkeit. So vermag man auch eher die charmante 77jährige Choreographin und damit ihre Verdienste für das moderne Tanztheater zu goutieren, als das Werk selbst.
"Spiraling Down"
Choreografie: Yvonne Rainer
Tanz: Pat Catterson, Patricia Hoffbauer, Emily Coates, Keith Sabado; Licht: Les Dickert; Sound: Quentin Chiappetta; Musik: Maurice Ravel „Bolero“, Pierre Boulez dirigiert das Cleveland Orchestra und die New York Philharmonic
"Assisted Living: Good Sports 2"
Choreografie: Yvonne Rainer
Tanz: Pat Catterson, Emily Coates, Patricia Hoffbauer, Emmanuéle Phuon, Keith Sabado; Movers: Les Dickert, Yvonne Rainer, Joel Reynolds; Licht: Les Dickert; Bühne: Joel Reynolds; Elektronische Soundkomposition: Yvonne Rainer, Quentin Chiappetta; Textzitate von Cynthia Carr, Lydia Davis, William O. Douglas, Lynn Hunt, William James, Louis Menand und Lawrence Shainberg.
Mai 2012
28.04. – 29.07. Ausstellung „Yvonne Rainer. Raum, Körper, Sprache“ im Museum Ludwig, Köln