Der autobiografische Charakter des Buches erlaubt es, verwandte Werke – den Gedichtzyklus „Krisis“, der im Umfeld des „Steppenwolf“ entstanden ist – hinzu zu ziehen. Das Stadttheater Bern bringt diese Bearbeitung als Schweizer Erstaufführung auf die Bühne.
Der pietistisch erzogene schwäbische Missionarssohn Hermann Hesse wohnte bereits als Kind mit seinen Eltern zum Teil in der Schweiz. 1912 verliess er Deutschland endgültig, lebte einige Zeit in Bern und wurde schliesslich Schweizer Bürger. Nach dem Tod seines Vaters und einer psychischen Erkrankung seiner ersten Frau begab sich Hesse in psychoanalytische Behandlung zu J. B. Lang, einem Schüler C. G. Jungs. Seine Positionierung als Kriegsgegner trug ihm in Deutschland trotz schriftstellerischen Erfolges Beschimpfungen als Vaterlandsverräter ein.
Der Steppenwolf Harry Haller – nicht nur die Namensähnlichkeit weist daraufhin – hat viel mit seinem Erfinder Hermann Hesse zu tun. Hesse steht bei der Niederschrift wie der Steppenwolf kurz vor seinem 50. Geburtstag. Beide stecken in der Midlife Crisis, das Familienleben ist gescheitert, sie werden öffentlich angegriffen, sie pflegen einen Aussenseiter-Status und sie kämpfen mit der anerzogenen Moral des Pflicht-Bewusstseins. Hesse wie Haller sind hin und her gerissen zwischen der Sehnsucht nach einer bürgerlichen Heimat und dem entschiedenen Widerspruch zur Gesellschaft. Der Titel verweist auf die unterdrückte Seite im zivilisierten Bürger Haller, das wilde Raubtier. Bei der Überwindung des Zwiespalts zwischen Mensch und Wolf spielt Hesses Psychoanalyse eine grosse Rolle. Haller soll statt dieser Polarität alle Facetten seines Ichs zulassen. Der Roman vereint diese Reise ins eigene Ich mit einer Auseinandersetzung mit der Gesellschaft.
Die Bekenntnisse des Steppenwolfs sind eine Projektionsfläche nicht nur für Pubertierende aller Generationen, für die 68er Revolutionäre bis zur amerikanischen Band „Steppenwolf“ mit ihrem berühmten Lied „Born to be wild“. Dabei wurde der Roman zum festen Inventar des Bürgertums, das er so stark kritisiert. Hesse ahnte das und schrieb im Traktat vom Steppenwolf: „In der Tat beruht die vitale Kraft des Bürgertums keineswegs auf den Eigenschaften seiner normalen Mitglieder, sondern auf denen der ausserordentlich zahlreichen Outsiders, die es infolge der Verschwommenheit und Dehnbarkeit seiner Ideale mit zu umschliessen vermag.“
Inszenierung David Mouchtar-Samorai
Bühne Heinz Hauser
Kostüme Urte Eicker
Musik Michael Frei
Video Bettina Disler
Dramaturgie Rainer Hofmann
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Harry Haller Michael Günther
Vermieter/ Hessischer Goethe Uwe Schönbeck
Pablo / Mozart Stefan Suske
Hermine Julia Wieninger
Maria Silvia-Maria Jung
Fremder Thomas Mathys
Professor / Goethe Matthias Brambeer
Sänger / Unsterblicher / Raubtier u.a. Andreas Bittl
Musiker Michael Frei
Weitere Rollen Ensemble