Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Schauspiel Leipzig: "Gespenster" von Henrik IbsenSchauspiel Leipzig: "Gespenster" von Henrik IbsenSchauspiel Leipzig:...

Schauspiel Leipzig: "Gespenster" von Henrik Ibsen

Premiere 3.3. 2012, 19.30, Centraltheater Hinterbühne. -----

Dass es kein richtiges Leben im falschen gibt … Dieser Satz von Theodor W. Adorno kommt für Helene Alving, Witwe und Hausherrin eines Landgutes in Norwegen um 1880, ein knappes Jahrhundert zu spät.

Zwar liest sie freidenkerische Schriften, doch ihr ganzes Leben hat sie nur die überholten moralischen Normen und Pflichten der provinziellen wie bigotten Gesellschaft um sich herum erfüllt. Ihre eigenen Bedürfnisse und Ansichten führen seither ein lichtscheues Gespensterleben. Nun will sie mit dieser Vergangenheit abschließen: unerträgliche Jahre vergessen machen, die Lebenslüge hinter einer Fassade aus Vertuschung und Verdrängung, mit welcher sie ihre von Alkohol, Begierde und Depression zerrüttete Ehe nach außen tarnte.

 

Sie kauft sich frei, indem sie das Vermögen ihres verstorbenen Mannes samt scheinheiliger Fassade in einem Kinderheim verbaut. Osvald, ihr eigener Sohn, den sie als Kind aus dem Haus gegeben hatte und der als Maler in Paris lebt, ist aus diesem Anlass heimgekommen. Doch wie ein krankes Tier durchstreift er das Haus. Mit seiner Anwesenheit fühlt sich Helene Alving fast gespenstisch an ihren Ehemann erinnert. Beinahe identisch stellen sich Situationen ein, die sie schon einmal miterleben musste – als ob die dunklen Schatten der Familiengeschichte doppelt belichtet würden. Der Befreiungsschlag wird eine Zumutung: nämlich die Wahrheit. Sie betrifft alle, stellt alles in Frage, in diesem Haus, an diesem Tag, in einer langen durchwachten Nacht, über deren Katastrophe die Sonne schließlich unerbittlich aufgehen wird.

 

GESPENSTER zeigt Henrik Ibsens unübertroffene Meisterschaft, in einem kurzen dramatischen Moment ganze Lebensläufe schonungslos auflaufen zu lassen. Richtig und falsch sind für ihn dabei keine hilfreichen Kategorien. Vielmehr stellt er seinem Anspruch an „Wahrheit und Freiheit“ als den Stützen der Gesellschaft die Feigheit zur Wahrheit in Rechnung.

Anja Nioduschewski

 

mit Marek Harloff, Janine Kreß, Thomas Lawinky, Hagen Oechel, Linda Pöppel

 

Regie: Robert Borgmann

Bühne: Susanne Münzner

Kostüme: Janina Brinkmann

Musik: Friederike Bernhardt, Andreas Schwaiger

Dramaturgie: Anja Nioduschewski

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 10 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

BERÜHRENDE MOMENTE -- "Spatz und Engel" mit dem Tournee-Theater Thespiskarren (Produktion Fritz Remond Theater im Zoo, Frankfurt) im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

Edith Piaf und Marlene Dietrich stehen hier im Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry als zwei Göttinnen des Chansons im Mittelpunkt des Geschehens. Und es ist gar nicht so…

EIN ÜBERZEUGTER HUMANIST -- 5. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

Das Stück "Felder...im Vorübergehen" für Streichorchester aus den Jahren 1993/94 von Bernhard Lang ist nicht so spektakulär wie seine Oper "Dora", besitzt aber durchaus charakteristische…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑