Die Bühne im Tanzhaus NRW ist diesmal eine rechteckige Plattform, um die sich die Zuschauer gruppieren, sie nehmen auf Augenhöhe am Bühnengeschehen teil. Acht Personen betreten diese Bühne zu einer Art Punkrockmusik. Sie setzen sich in die Pose von jungen, androgyn gestylten Männern, wie man sie in der Clubszene antreffen könnte: lässig gestylt und modische Bärte tragend, denen man ansieht, dass sie gerade eben gesprossen sind, lassen sie ganz cool den Blick ins Leere gehen, nehmen durch ihre Beinhaltung den Raum in Besitz und können doch kaum ihre jugendliche Unsicherheit in der männlichen Rolle verbergen, ein nur behauptetes Selbstbewusstseins. Ganz allmählich geben sie ihre starre Pose auf und beginnen sich am Boden aufeinander hin zu bewegen, Paare finden sich, umarmen sich, - wobei die Musik aussetzt und durch ein leises Summen der Akteure ersetzt wird, - sie küssen sich, tauschen Hose und T-Shirt, wechseln die Partner, vollziehen abstrahierten Sex, blicken dabei den Zuschauer mitunter starr an. Vogelgezwitscher erklingt, das Bühnenlicht wird etwas heller, ein neuer Morgen. Nacheinander verlassen die Akteure die Bühne, um als Transvestiten gekleidet nach und nach wieder aufzutreten.
War im ersten Teil dieser Performance das Geschlecht der Akteure durch die lässige Kleidung verdeckt und somit nicht an äußeren Geschlechtsmerkmalen festzumachen, sondern allein am Bartwuchs, der modisch männlichen Haartracht, dem Bewegungsmuster, so ist der Zuschauer nun vollends verwirrt, denn in der engen Kleidung lassen sich nun eindeutig sowohl Brüste als auch männliche Ge¬schlechts¬organe erkennen. Diese Wesen finden nicht mehr paarweise zueinander wie im ersten Teil der Performance, sondern formieren sich zu Gruppen und vollführen, laut Eszter Salamon, der Choreografin von "Reproduction", Positionen des Liebesaktes, angelehnt an die indische Kamasutra-Lehre. Dies geht solange bis alle Akteure sich zu einem großen Haufen finden, in dem sie über die Bühne rollen. Zum Schluss lösen sie sich voneinander, die Eingangsmusik setzt wieder ein und alle nehmen genau die gleichen Posen wie am Anfang ein.
"Reproduction" ist ein Stück, das mit der Frage der Wahrnehmung spielt, im besonderen mit der von Geschlechtlichkeit. Nicht in einer Sekunde konnte der Zuschauer dieser Performance erkennen, dass es sich bei den Akteuren um Frauen handelt, so perfekt war die Umwandlung inszeniert. Eszter Salamon stellt in ihrer Choreografie die biologische Rollenidentität zur Diskussion und die damit verbundenen sozialen Verhaltensmuster und sexuellen Orientierungen ebenso wie die Art der Beziehungen zwischen den Geschlechtern.
Vorstellungen am 25. und 26.08.06