Wie schon in seinen bisherigen Ballettabenden für die Deutsche Oper am Rhein bringt Martin Schläpfer auch in seinem siebten unterschiedliche Choreographien zur Aufführung. Hans van Manens Stück "Compositie" aus dem Jahre 1994 bildet den Auftakt des Abends. Zwei einfache quadratische Holztische auf Eck, parallel in den Raum gestellt, davor einfache Holzhocker. So klar wie das Bühnenbild sind auch die Bewegungen der Tänzer. Sie werden von den vier Paaren in perfekter Symmetrie gespiegelt, fast unmerklich schleichen sich jedoch kleine Abweichungen in die Bewegungsmuster ein, bis sie die Spiegelung ganz auflösen. Aus der kühlen Abstraktion heraus entwickeln sich allmählich Gefühle und individuelle Beziehungen. Hans van Manens puristische "Compositie" ist ein kleines Meisterwerk und wird von Schläpfers Compagnie in gewohnter Präzision dargeboten.
Ein riesiges Wirbelsäulenskelett, aus alten Computerbildschirmen gebildet, schwingt sich eindrucksvoll über die Bühne in Regina van Berkels jetzt in Düsseldorf uraufgeführtem "Frozen Echo", dem zweiten Stück des Abends. Auf der rechten Bühnenseite unzählige Tänzer zu einem riesigem skulpturalen Gebilde formiert, das sich durch weitergegebene Impulse allmählich auflöst. Parallel dazu laufen zwei weitere Sequenzen mit einzelnen Tänzerinnen in der Bühnenmitte und im Bühnenhintergrund ab. Wie im Titel bereits angedeutet, trifft in van Berkels "Frozen Echo" Bewegung auf Starre. Tänzer bewegen sich wie Schallwellen, um dann innezuhalten und einen skulpturalen Moment darzustellen. Regina van Berkel will nichts erzählen, sondern Imagination und Reflexion anregen, den Raum gestalten. Was daraus entsteht ist eine wunderbare, stimmungsvolle Komposition, von großer Klarheit und Konzentration, in der die Rhythmisierung der Gruppenauftritte besonders energetisch und eindrucksvoll ist. "Frozen Echo" ist mit seinen ungewohnten Bewegungsabläufen das absolute Highlight des Abends!
Weniger überzeugend ist dagegen Martin Schläpfers ebenfalls uraufgeführtes Stück "Robert Schumann Tänze". Grundlage ist Robert Schumanns 3. Sinfonie, die sog. Rheinische, die in einer eher frohgestimmten Lebensphase Schumanns entstand. Schläpfer hat in seine Choreographie erzählerische Momente eingebaut Sie spielen auf die wie auch immer geartete Ménage à Trois zwischen Robert und Clara Schumann und Johannes Brahms an. Auch den Schumannschen Kindern verschafft er zwei Auftritte in historischen Kostümen. Das kommt so unvermittelt, und neben den modernen, blaugemusterten Trikots der Tänzer, die scheinbar den Rheinfluss anklingen lassen, mutet es etwas fremd an. Schläpfer orientiert sich in seiner Choreographie eher am klassischem Erzählballett und an den klassischen Ballettbewegungssequenzen, ohne jedoch ein reines Handlungsballett zu kreieren. Insgesamt wirkt das Ganze seltsam unausgewogen, auch wenn es wunderschöne Szenen gibt und die tänzerische Leistung über allen Zweifel erhaben ist.
Dennoch ein bewegender, eindrucksvoller Abend.
COMPOSITIE
MUSIK: „Eros Piano“ für Kammerorchester und Klavier von John Adams sowie „Madame Press died last week at ninety“ von Morton Feldman
Choreographie Hans van Manen
Musikalische Leitung Catherine Rückwardt
Bühne und Kostüme: Keso Dekker, Licht: Joop Caboort
Einstudierung Arlette van Boven, Klavier Dirk Wedmann
Paar 1 Julie Thirault, Bogdan Nicula
Paar 2 Louisa Rachedi, Ordep Rodriguez Chacon
Paar 3 Ainara García Navarro, Alexandre Simões
Paar 4 Carolina Francisco Sorg, Andriy Boyetskyy
FROZEN ECHO
MUSIK:"Frozen Echo" von Theo Verbey (Uraufführung)
Choreographie Regina van Berkel
Musikalische Leitung: Catherine Rückwardt
Bühne, Video und Licht: Dietmar Janeck, Kostüme: Regina van Berkel
Teil 1: Sachika Abe, Doris Becker, Wun Sze Chan, Mariana Dias, Carolina Francisco Sorg, Cristina Garcia Fonseca, Carly Morgan, Daniela Svoboda, Julie Thirault, Christian Bloßfeld, Andriy Boyetskyy, Jackson Carroll, Martin Chaix, Philip Handschin, Antoine Jully, Sonny Locsin, Chidozie Nzerem, Sascha Pieper, Boris Randzio
Teil 2: Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Wun Sze Chan, Feline van Dijken, Cristina Garcia Fonseca, Ainara García Navarro, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Nicole Morel, Carly Morgan, Louisa Rachedi, Daniela Svoboda, Anna Tsybina, Christian Bloßfeld, Andriy Boyetskyy, Jackson Carroll, Florent Cheymol, Helge Freiberg, Bogdan Nicula, Chidozie Nzerem, Alexandre Simões, Ordep Rodriguez Chacon, Pontus Sundset, Maksat Sydykov
Teil 3: Ann-Kathrin Adam, Wun Sze Chan, Cristina Garcia Fonseca, Daniela Svoboda, Antoine Jully, Sonny Locsin
ROBERT SCHUMANN TÄNZE (URAUFFÜHRUNG)
MUSIK: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 („Rheinische“) von Robert Schumann
Choreographie: Martin Schläpfer
Musikalische Leitung Catherine Rückwardt
Bühne: Thomas Ziegler, Kostüme: Nelly van de Velden, Licht: Thomas Diek
Tänzerinnen und Tänzer: Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Doris Becker, Wun Sze Chan, Mariana Dias, Ana Djordjevic, Géraldine Dunkel, Carolina Francisco Sorg, Cristina Garcia Fonseca, Carrie Johnson, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Carly Morgan, Nicole Morel, Louisa Rachedi, Daniela Svoboda, Julie Thirault, Anna Tsybina, Christian Bloßfeld, Jackson Carroll, Martin Chaix, Florent Cheymol, Helge Freiberg, Niels Funke, Philip Handschin, Sonny Locsin, Chidozie Nzerem, Boris Randzio, Pontus Sundset, Alexandre Simões, Jörg Weinöhl
Orchester Düsseldorfer Symphoniker
Premiere 19. Februar 2011 im Opernhaus Düsseldorf