Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Now & Next im Tanzhaus NRW in DüsseldorfNow & Next im Tanzhaus NRW in DüsseldorfNow & Next im Tanzhaus...

Now & Next im Tanzhaus NRW in Düsseldorf

mit Arbeiten von Adrienn Hód, Kazue Ikeda, Isabelle Wapnitz, Roman Tönjes & Héctor Solari/Irene Schröder/Ursula Nill

Das Programmformat "Now und Next" des Tanzhauses NRW bietet den Künstlern die Chance sich zu erproben, sich international und interdisziplinär auszutauschen. Und das Publikum hat die Chance, unterschiedliche Ansätze kennenzulernen. Dass das äußerst spannend und anregend sein kann, zeigte wieder einmal der jetzige Abend.

 

Das Duo mit Irene Schröder und Ursula Nill tanzte - zunächst einzeln, dann symbiotisch zusammengewachsen wie siamesische Zwillinge - im mit "Fresko" betitelten Stück von Irene Schröder und Héctor Solari zu einem auf die nackte Wand projizierten Videofilm. Dieser bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit der antiken griechischen Skulptur in den Wandbildern der amerikanischen Künstlerin Nancy Spero. Ebenso wie diese Künstlerin sich mit Adaption, Wiederholung und Transformation beschäftigt, wird in "Fresko" versucht, dieses Arbeitsverfahren tänzerisch zu übernehmen und ebenfalls zu bearbeiten. Da beide künstlerischen Ansätze mit der Darstellung des menschlichen Körpers im Raum arbeiten, ergibt sich so ein gelungenes Wechselspiel zwischen zwei

unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksweisen.

 

Viel hat man vom ungarischen modernen Tanz bisher nicht wahrnehmen können. Wie erfreulich war es daher, die Bekanntschaft mit Adrienn Hóds "Daily Routine No. 5" machen zu können. Zum Live-Gesang von Zolán Mizsei suchen die vier Tänzer sich von der täglichen Routine, den eingespielten Bewegungsformen und damit auch den festgezurrten Rollenmustern und dem sozialen Beziehungsgeflecht zu lösen. Herausgekommen bei dieser künstlerischen Recherche ist eine überzeugende Choreographie, äußerst dynamisch dargebracht.

 

Wenn Wissenschaftler sich künstlerisch betätigen möchte, funktioniert das nur in Ausnahmefällen. Und so wirkte "Titel hinzufügen" von Isabelle Wapnitz, eine sog. Lecture Performance, auch ziemlich konstruiert und trocken. Untersuchungsgegenstand war die Frage, wieweit sich wissenschaftlicher Vortrag und Performance in ihren Darbietungsmitteln gleichen bzw. unterscheiden.

Erfrischend unkonventionell und erheiternd war dagegen Roman Tönjes 13minütiger Film "Aras Schallplatten". In einem aufwendigen Verfahren hat er seine in einem Plattenladen angefertigten Panoramafotos abgefilmt und mit collagierten Originaläußerungen des Plattenladeninhabers tonal unterlegt. Wer jemals so einen Laden, egal in welcher Stadt, betreten hat, weiß, dass man dort auf eine ganz eigene Spezies Mensch trifft, was sowohl Käufer, als auch Verkäufer betrifft. Und so kann man in Aras Laden nicht nur Schallplatten kaufen, sondern erfährt noch so Einiges zur Geschichte der Musik, zu Plattencovern, zur Musikindustrie und allgemein Menschlichem. Die Aussage "Manche verdienen mehr, als sie vertragen können" verdient besondere Beachtung. Und nicht nur wegen seiner inhaltlichen Konzeption, sondern auch wegen seiner künstlerischen Umsetzung war Roman Tönjes Film sehr überzeugend.

 

Die vierhändige Klavierversion von Strawinskys "Le sacre du Printemps" bildet die musikalische Grundlage für Kazue Ikedas Solo in "Le Sacre Sacra". Es ist immer wieder erstaunlich, wie variantenreich die choreographische Umsetzung dieses Klassikers der Tanzgeschichte ist. In ihrer Version verbindet Kazue Ikeda die archaische Opferthematik mit einem der wichtigsten Themen der japanischen Kultur: der Kirschblüte. Dabei bildet selbstverständlich nicht die zauberhafte weiße Blütenpracht den Ausgangspunkt, sondern die ihr innewohnende Flüchtig- und Vergänglichkeit.

Fazit des Abends. wiederholungsbedürftig!

 

"Fresko"

Konzept: Irene Schröder, Héctor Solari

Choreographie: Irene Schröder, Ursula Nill

Video, Bühne Héctor Solari

Musik David Byxrne, Phiklip Glass, Kurr

 

"Daily Routine No. 5"

Konzept, Choreographie: Adrienn Hóds

Tanz: Emese curhoka, Júlia Garai, Csaba Molnár, Júlia Hadi

Live-Gesang: Zolán Mizsei

 

"Titel hinzufügen": Isabelle Wapnitz

 

"Aras Schallplatten": Roman Tönjes

 

"Le Sacre Sacra"

Choreographie, Tanz: Kazue Ikeda

Musik: Igor Strawinsky (vierhändige Klavierversion: Fazil Say)

 

Nächstes "Now und Next" am 20.- 23.10.2011 im Tanzhaus NRW

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 19 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

BLICK IN ABGRÜNDE -- "Lulu" von Alban Berg in der Oper Frankfurt

Die Ambivalenz der Frauenfigur Lulu kommt in dieser Inszenierung von Nadja Loschky im eher schroffen Bühnenbild von Katharina Schlipf und den Kostümen von Irina Spreckelmeyer voll zur Geltung. Lulu…

Von: ALEXANDER WALTHER

GEDENKEN AN EINEN ZU FRÜH VERSTORBENEN -- Gedenkkonzert für Hans Georg Pflüger bei Kammermusik im Schloss BIETIGHEIM-BISSINGEN

Rudolf Bayer erinnerte im Hans-Georg-Pflüger-Saal an den Komponisten Hans Georg Pflüger, der nicht nur mit seiner Fliege immer auf ein korrektes Äusseres geachtet habe. Seine eigentliche Liebe galt…

Von: ALEXANDER WALTHER

FURCHT VOR DER FREIHEIT -- Neue Reihe "Studio goes Politics" im Studiotheater STUTTGART

Die Kabarettistin Stephanie Biesolt eröffnete zusammen mit der Schauspielerin Marion Jeiter diese neue Kabarett-Reihe im Studiotheater. Dabei wurde die AfD aufs Korn genommen. Beim "Angriff auf…

Von: ALEXANDER WALTHER

GESPENSTER UND ATEMLOSE SPANNUNG -- "Falsche Schlange" von Alan Ayckbourn im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

Eine Prodfuktion von Tournee-Theater Thespiskarren - Theater im Rathaus Essen. - In der subtilen Regie von Gerit Kling bekommt dieser Psycho-Thriller rasch scharfe Kontur. Annabel Chester kehrt nach…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUCH DIE BILDENDE KUNST IST PRÄSENT -- Ludwigsburger Schlossfestspiele 2025

Die Festspielzeit 2025 wird am Samstag, 31. Mai 2025 mit dem Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Joana Mallwitz im Forum am Schlosspark eröffnet. Neben Schuberts "Großer C-Dur-Sinfonie"…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑