Das Programmformat "Now und Next" des Tanzhauses NRW bietet den Künstlern die Chance sich zu erproben, sich international und interdisziplinär auszutauschen. Und das Publikum hat die Chance, unterschiedliche Ansätze kennenzulernen. Dass das äußerst spannend und anregend sein kann, zeigte wieder einmal der jetzige Abend.
Das Duo mit Irene Schröder und Ursula Nill tanzte - zunächst einzeln, dann symbiotisch zusammengewachsen wie siamesische Zwillinge - im mit "Fresko" betitelten Stück von Irene Schröder und Héctor Solari zu einem auf die nackte Wand projizierten Videofilm. Dieser bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit der antiken griechischen Skulptur in den Wandbildern der amerikanischen Künstlerin Nancy Spero. Ebenso wie diese Künstlerin sich mit Adaption, Wiederholung und Transformation beschäftigt, wird in "Fresko" versucht, dieses Arbeitsverfahren tänzerisch zu übernehmen und ebenfalls zu bearbeiten. Da beide künstlerischen Ansätze mit der Darstellung des menschlichen Körpers im Raum arbeiten, ergibt sich so ein gelungenes Wechselspiel zwischen zwei
unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksweisen.
Viel hat man vom ungarischen modernen Tanz bisher nicht wahrnehmen können. Wie erfreulich war es daher, die Bekanntschaft mit Adrienn Hóds "Daily Routine No. 5" machen zu können. Zum Live-Gesang von Zolán Mizsei suchen die vier Tänzer sich von der täglichen Routine, den eingespielten Bewegungsformen und damit auch den festgezurrten Rollenmustern und dem sozialen Beziehungsgeflecht zu lösen. Herausgekommen bei dieser künstlerischen Recherche ist eine überzeugende Choreographie, äußerst dynamisch dargebracht.
Wenn Wissenschaftler sich künstlerisch betätigen möchte, funktioniert das nur in Ausnahmefällen. Und so wirkte "Titel hinzufügen" von Isabelle Wapnitz, eine sog. Lecture Performance, auch ziemlich konstruiert und trocken. Untersuchungsgegenstand war die Frage, wieweit sich wissenschaftlicher Vortrag und Performance in ihren Darbietungsmitteln gleichen bzw. unterscheiden.
Erfrischend unkonventionell und erheiternd war dagegen Roman Tönjes 13minütiger Film "Aras Schallplatten". In einem aufwendigen Verfahren hat er seine in einem Plattenladen angefertigten Panoramafotos abgefilmt und mit collagierten Originaläußerungen des Plattenladeninhabers tonal unterlegt. Wer jemals so einen Laden, egal in welcher Stadt, betreten hat, weiß, dass man dort auf eine ganz eigene Spezies Mensch trifft, was sowohl Käufer, als auch Verkäufer betrifft. Und so kann man in Aras Laden nicht nur Schallplatten kaufen, sondern erfährt noch so Einiges zur Geschichte der Musik, zu Plattencovern, zur Musikindustrie und allgemein Menschlichem. Die Aussage "Manche verdienen mehr, als sie vertragen können" verdient besondere Beachtung. Und nicht nur wegen seiner inhaltlichen Konzeption, sondern auch wegen seiner künstlerischen Umsetzung war Roman Tönjes Film sehr überzeugend.
Die vierhändige Klavierversion von Strawinskys "Le sacre du Printemps" bildet die musikalische Grundlage für Kazue Ikedas Solo in "Le Sacre Sacra". Es ist immer wieder erstaunlich, wie variantenreich die choreographische Umsetzung dieses Klassikers der Tanzgeschichte ist. In ihrer Version verbindet Kazue Ikeda die archaische Opferthematik mit einem der wichtigsten Themen der japanischen Kultur: der Kirschblüte. Dabei bildet selbstverständlich nicht die zauberhafte weiße Blütenpracht den Ausgangspunkt, sondern die ihr innewohnende Flüchtig- und Vergänglichkeit.
Fazit des Abends. wiederholungsbedürftig!
"Fresko"
Konzept: Irene Schröder, Héctor Solari
Choreographie: Irene Schröder, Ursula Nill
Video, Bühne Héctor Solari
Musik David Byxrne, Phiklip Glass, Kurr
"Daily Routine No. 5"
Konzept, Choreographie: Adrienn Hóds
Tanz: Emese curhoka, Júlia Garai, Csaba Molnár, Júlia Hadi
Live-Gesang: Zolán Mizsei
"Titel hinzufügen": Isabelle Wapnitz
"Aras Schallplatten": Roman Tönjes
"Le Sacre Sacra"
Choreographie, Tanz: Kazue Ikeda
Musik: Igor Strawinsky (vierhändige Klavierversion: Fazil Say)
Nächstes "Now und Next" am 20.- 23.10.2011 im Tanzhaus NRW