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"Nijinsky" von John Neumeier, Semperoper Ballett-Premiere in Dresden

Premiere am 24. Januar 2025 um 19 Uhr in der Semperoper

Die Company des Semperoper Ballett mit John Neumeiers abendfüllender Hommage an die Tanzlegende Vaslav Nijinsky. -- Wie könnte man den 200. Geburtstag des Semperoper Ballett schöner begehen als mit einer Verbeugung vor dem Genie Vaslav Nijinsky? Sein Name und die Ballets Russes stehen in enger Verbindung mit der Geschichte des Tanzes in Dresden.

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„Nijinskys Leben lässt sich einfach zusammenfassen: zehn Jahre Wachsen, zehn Jahre Lernen, zehn Jahre Tanzen, dreißig Jahre Finsternis“, formulierte einst der Biograf Richard Buckle. Das Wirken und Leben des Jahrhunderttänzers Nijinsky ist für John Neumeier seit seiner Jugend ein unerschöpfliches Thema. In seinem im Jahr 2000 über die Lichtgestalt des Tanzes erarbeiteten Ballett geht es um die Biografie einer Seele, verwoben aus Erinnerungen und Assoziationen, Empfindungen und Zuständen. John Neumeiers choreografische Annäherungen wollen eine Gegenwart aus der Vergangenheit schaffen mit neu bestimmten Kräfteverhältnissen und Spannungsfeldern, die Nijinskys Magie auf der Bühne ebenso einfangen wie seine Gefährdungen jenseits des Theaters.

Uraufführung 02.07.2000 Hamburg Ballett

Handlung

Am 19. Januar 1919 um fünf Uhr nachmittags tanzte Vaslaw Nijinsky im Ballsaal des Suvretta House in St. Moritz zum letzten Male öffentlich. Er nannte seine Vorstellung „Hochzeit mit Gott“. Mein Ballett Nijinsky beginnt mit einer realistischen Wiedergabe dieser Szene. Die folgende Choreografie visualisiert Nijinskys Gedanken, Erinnerungen und Wahnvorstellungen während seines letzten Auftrittes.

Teil I
Hervorgerufen durch das Trugbild seines ehemaligen Mentors, Impresarios und Liebhabers Serge Diaghilew ruft sich Nijinsky Bilder seiner sensationellen Karriere mit den Ballets Russes ins Gedächtnis zurück. Tänzer, als Teile seiner Persönlichkeit, führen Fragmente seiner herausragenden Rollen auf. Harlequin, der Dichter aus Les Sylphides, der Goldene Sklave aus Scheherazade und der Geist der Rose vermengen sich mit Charakteren aus seinem eigenen Leben.

Seine Schwester Bronislawa, die spätere Choreografin, sein älterer Bruder Stanislaw – der ebenfalls zu einem Tänzer ausgebildet wurde und von Kindheit an mit Anflügen von Wahnsinn versehen war – und die Mutter Eleonora Bereda, die gemeinsam mit dem Vater die frühesten Lehrer ihrer Kinder waren, erscheinen in seiner traumdurchwebten Fantasie. In einer anderen Szene meines Balletts erinnert sich Nijinsky an sein kompromissloses Ringen um eine neue choreografische Sprache. Seine Bewegungsexperimente fließen ein in die Ballette L’Après-midi d’un faune, Jeux, Le Sacre du printemps und später Till Eulenspiegel.

Eine Frau in Rot, Romola de Pulszky, Nijinskys spätere Frau, durchkreuzt seine verworrenen Erinnerungen. Noch einmal erlebt er ihre erste Begegnung während einer Schifffahrt nach Südamerika und ihre plötzliche Vermählung – ein Ereignis, das den endgültigen Bruch mit Diaghilew und den Ballets Russes hervorrief.

Teil II
Nijinskys Wahnsinn führt ihn tiefer in sein inneres Wesen. Erinnerungen an Kindheit, Familie, Schule und Mariinsky-Theater vermischen sich mit alptraumhaften Visionen des Ersten Weltkrieges – und der Untreue seiner Frau.

Die skandalträchtige Premiere seines Ballettes Le Sacre du printemps wird der Brutalität des Ersten Weltkrieges und dem Tod seines Bruders Stanislaw gegenübergestellt. Romola begleitet ihn durch schwierige und schlechte Zeiten.

In Nijinskys Augen ist es die Welt, die ihn umgibt – nicht „Nijinsky“, der geisteskrank wird ... Die Vorstellung im Suvretta House und mein Ballett enden mit Nijinskys letztem Tanz – dem Krieg.
John Neumeier, Hamburg 2000

    
   Musikalische Leitung  Simon Hewett
    Choreografie  John Neumeier
    Licht, Bühne und Kostüme unter teilweiser Verwendung der Originalentwürfe von Léon Bakst und Alexandre Benois  John      Neumeier
    Musik  Frédéric Chopin, Nikolaj Rimskij-Korsakow, Dmitri Schostakowitsch, Robert Schumann
    Licht  John Neumeier
    Einstudierung  Leslie McBeth, Piotr Stanczyk, Sonja Tinnes, Ivan Urban

Sächsische Staatskapelle Dresden
Semperoper Ballett

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