Heute ist »Nathan« ein Klassiker und »Toleranz« etwas, das jeder gut findet. Bis zur Unkenntlichkeit. Jüngst entzündete sich eine heiße Debatte, ob die Aufklärung anders verteidigt werden müsste als mit falsch verstandener Toleranz. Der Westen sei kulturell in der Defensive, würde in seltsamem Selbsthass erstarren und unsere liberale Gesellschaft würde an ihrer eigenen Toleranz zugrunde gehen. Darauf antwortete jemand: Die Werte der Aufklärung würden momentan am dringlichsten von verschleierten jungen Frauen verteidigt, im Iran.
In ihrer ersten Arbeit in Freiburg entwirft die türkische Regisseurin Emre Koyuncuoglu eine aktuelle, assoziative Version des Nathan Stoffes: Worin bestehen unsere Kulturen, welche politischen und ökonomischen Ordnungen haben sie ausgeprägt? Woran glauben wir – wenn wir glauben? Was verbindet uns? Was fürchten wir? Welche Bilder können wir sehen hinter der ersten Schicht aus Unwissenheit und dem allgegenwärtigen Konflikt mit dem Islam?
Regie: Emre Koyuncuoglu / Bühne: Annette Haunschild / Kostüme: Mai Gogishvili / Video: Aksel Zeydan Göz / Musik: Cigdem Boru-cu / Dramaturgie: Viola Hasselberg
Mit: Anna Böger, Lena Drieschner, Bettina Grahs; Frank Alb-recht, Hendrik Heutmann, Martin Weigel
Mittwoch, 19.5., Samstag, 22.5., Montag, 24.5., Donners-tag, 27.5., Samstag, 5.6., Donnerstag, 10.6., Sonntag, 27.6. und Mittwoch, 30.6.2010
Bei der Vorstellung am 5. Juni ist die türkischstämmige Berliner Anwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş zu Gast im Theater und wird mit dem Publikum und Schauspieldirektorin Viola Hasselberg über die Inszenierung und die aktuelle Debatte um Islamophobie diskutieren. Ateş ist bekannt für ihre Kritik an der deutschen Integrationspolitik und an den Missständen in der muslimischen Gemeinde. Sie war Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und nahm am Integrationsgipfel der Bundesregierung teil.