
Der am dekadenten Hof Neros in den Suizid getriebene Philosoph Seneca wird zum Symbol des Bankrotts einer ganzen Gesellschaft. Am Ende ist es nicht die Liebe, die siegt, sondern sind es die Intrige, der Ehrgeiz, die Verführung und die Verführbarkeit.Die in den »Annalen« des Römers Tacitus überlieferte Dreiecks-Geschichte von Nero, Ottavia und Poppea wählte der venezianische Frei -denker Giovanni Francesco Busenello als Grundlage seines Librettos für Monteverdis 1642 in Venedig uraufgeführte letzte Oper. Als maestro di capella von San Marco hatte dieser nicht nur den prestigeträchtigsten musikalischen Posten inne, den die katholische Welt außerhalb Roms vergab, sondern der darstellenden Kunst ein musikalisches Theater geschenkt, das auch heute noch unerhört, ja revolutionär umwerfend ist.
Seit der Uraufführung seiner ersten Oper »L’Orfeo« 1607 am Hof der Gonzagas in Mantua gilt Monteverdi als Begründer des neuzeitlichen Operntheaters und eines eng an die Diktion der Sprache angelehnten Singens, das unser Ohr und damit unsere Gefühle in einer der Vokalmusik bis dato unbekannten Intensität berührt. Darüber hinausgehend wagten die beiden Autoren in ihrer »L’incoronazione di Poppea« etwas auf der Opernbühne noch nie Dagewesenes: Mit der Darstellung historisch verbürgter Persönlichkeiten haben die Götter ihre Macht eingebüßt und liefern nur mehr den Rahmen für ein shakespearenahes Welttheater zwischen Tragödie und Komödie, das den Menschen mit all seinen Leidenschaften, Besessenheiten, Sehnsüchten und Abgründen ins Zentrum rückt. Der sezierenden, auf moralische Wertung verzichtenden Distanz, mit der Busenello auf seine Figuren blickt, antwortet Monteverdi mit einer Musik von differenzierter Menschlichkeit, in der Gewalt, Begehren und Seelennot Klang werden.
Nur ein einziges Mal stand eine Oper Monteverdis bisher auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper: Unter der musikalischen Leitung von Herbert von Karajan und in der Inszenierung von Günther Rennert feierte am 1.April 1963 »L’incoronazione di Poppea« in einer stark romantisierten, »freien Neufassung« ihre Premiere. In der Monteverdi-Forschung und der historisch informierten Aufführungspraxis hat sich seither sehr viel getan – nicht zuletzt ausgelöst durch die Pionierarbeit von Nikolaus Harnoncourt und seinem Concentus Musicus. 68 Jahre nach seiner Gründung gibt das in Wien beheimatete Ensemble unter der Leitung des spanischen Dirigenten Pablo Heras-Casado nun sein Hausdebüt in der Staatsoper.
Regisseur, Choreograph und Bühnenbildner ist der auch als Autor und bildender Künstler tätige und 2014 mit dem Goldenen Löwen der Biennale di Venezia ausgezeichnete Belgier Jan Lauwers. Mit seiner in Brüssel beheimateten Needcompany schuf er in mehr als 35 Jahren ein Theater, in welchem sich Musik, Schauspiel, Tanz und bildende Kunst immer wieder neu inspirieren und in die Schwebe bringen. Sein melancholisch-heiterer, humorvoll- skeptischer Stil begegnet in seiner in Koproduktion mit den Salzburger Festspielen entstandenen »L’incoronazione di Poppea« dem großen Menschenzeichner Monteverdi in einer Regie, in der sich alle Mitwirkenden auf einer Ebene treffen: »In unserer Version von ›L’incoronazione di Poppea‹ ist jeder Sänger, jeder Musiker und jeder Tänzer eine eigenständige Kraft – und alle wollen gemeinsam überleben«, erläutert Jan Lauwers seine Konzeption.
Eine Koproduktion mit den Salzburger Festspielen.
Musikalische Leitung
Pablo Heras-Casado
Inszenierung & Bühne
Jan Lauwers
Kostüme
Lemm& Barkey
Licht
Ken Hioco
Choreographie
Jan Lauwers
Paul Blackman
Dramaturgie
Elke Janssens
Nerone
Kate Lindsey
Poppea
Slávka Zámečníková
Ottone, früherer Gatte Poppeas
Xavier Sabata
Ottavia, Neros Gemahlin
Christina Bock
Seneca
Willard White
Virtù / Drusilla
Vera-Lotte Boecker
Solotänzerin
Sarah Lutz Sarah Lutz
Solotänzer
Camilo Mejía Cortés Camilo Mejía Cortés
Nutrice / Famigliare I
Daniel Jenz
Arnalta
Thomas Ebenstein
Amore / Valletto
Isabel Signoret
Fortuna / Damigella / Amorino I
Johanna Wallroth
Pallade / Venere
Aurora Marthens
Lucano / Soldato I / Famigliare II
Josh Lovell
Liberto / Soldato II / Console
Hiroshi Amako
Littore / Tribuno / Famigliare III
Erik Van Heyningen
Amorino II
Katarina Porubanova
Orchester
Concentus Musicus Wien