Die Hintergründe
Im Jahre 1763 schloss der fast achtzigjährige Rameau mit der Tragédie ‚Les Boréades‘ sein Opernschaffen ab, doch aufgrund ungeklärter gesellschafts- und kulturpolitischer Wirren kam das Werk – trotz bereits begonnener Proben – nicht zur Aufführung und versank für lange Zeit in der Pariser Nationalbibliothek. Erst in den 1970er-Jahren wurde es durch John Eliot
Gardiner der Vergessenheit entrissen: Gespielt wurde fortan aus Notenmaterial, an dem sich ein findiger Geschäftsmann die Rechte sicherte und teuer bezahlen ließ. So konnte das Werk auch nach seiner Wiederentdeckung jahrzehntelang nicht problemlos auf die Opernspielpläne gesetzt werden, da nur finanzkräftige Opernhäuser oder Festspiele sich dieses teure
Vergnügen leisten konnten.
Revolution auf der Opernbühne
Das vordergründig harmlos anmutende Libretto birgt zwischen den Zeilen ein mutiges revolutionäres Gedankenspiel des altersweisen Komponisten, der sich im geistigen Umfeld der aufklärerisch agierenden Enzyklopädisten und Freimaurer bewegte. Die Handlung erzählt von der baktrischen Königin Alphise, die nach althergebrachtem Gesetz durch die Heirat mit einem Prinzen aus dem Geschlecht der Boreaden deren Macht sichern soll, sich aber bedingungslos gegen diese Tradition und für die Liebe (zu einem anderen Mann) entscheidet.
Das Volk steht schon bald auf ihrer Seite und die skrupellosen Boreaden, die ihre Macht schwinden sehen, greifen zu äußersten Mitteln der Gewalt. Am Ende werden die als unumstößlich behaupteten Gesetze diplomatisch außer Kraft gesetzt: Liebe, Freiheit und brüderliche Versöhnung tragen den Sieg davon. Naheliegend, dass zu Zeiten des ‚Siècle des lumières‘ und knapp dreißig Jahre vor der Französischen Revolution die Zensur den in ‚Les Boréades‘ geschilderten Sieg des Lichts über das Dunkel als politisch zu brisant wertete. Dieser Umstand offenbart, dass die Oper nicht nur durch ihre meisterhafte Komposition musikhistorisch herausragt, sondern auch ein bis in die Gegenwart aktuelles Thema schildert: den schweren Kampf, den ein unterdrücktes Volk gegen seine Tyrannen aufnehmen muss, um in Freiheit und Demokratie leben zu können.
Für musikalische Authentizität bürgt u. a. der – jüngst ins Ehrenkomitee der Société Rameau aufgenommene – französische Dirigent Alexis Kossenko. Die männliche Hauptrolle des Abaris singt mit Mathias Vidal einer der derzeit führenden französischen Haute-Contres und mit Michael Metzler sorgt der wohl gefragteste Barock-Percussionist für besondere Soundeffekte. Die Choreographie der BallettCompagnie Oldenburg, die eine wichtige Rolle in der Handlung spielt, liegt in den Händen des aus Paris stammenden Ballettdirektors Antoine Jully.
Musikalische Leitung: Alexis Kossenko;
Regie: Christoph von Bernuth;
Choreographie: Antoine Jully;
Bühne: Oliver Helf;
Kostüme: Karine Van Hercke;
Licht: Regina Kirsch;
Video: Sven Stratmann;
Dramaturgie: Stephanie Twiehaus;
Choreinstudierung: Thomas Bönisch
mit: Elena Harsányi, Martha Eason, Martyna Cymerman, Mathias Vidal, Kihun Yoon, Sebastian Monti, João Fernandes, Leonardo Lee, Philipp Mehr
Historische Percussion: Michael Metzler
BallettCompagnie Oldenburg, Opernchor, Oldenburgisches Staatsorchester
weitere Termine: 6.10, 8.10., 9.10., 12.10., 28.10., 29.10., 31.10.; 3.11., 4.11., 19.11. und 20.11.2021