In „Orlando“ hat Händel die zu seiner Zeit populäre Geschichte des „Orlando furioso“, ein höfisches Epos über den idealen Ritter und seine Abenteuer, auf eine zentrale Begebenheit reduziert und zu einem Juwel der Barockmusik verdichtet. Am 16. April hat die Oper am Landestheater Detmold Premiere.
Händel widmet sich besonders der Liebesgeschichte Orlandos und seinem daraus folgenden Wahnsinn. Orlando, der Krieger, liebt Angelica. Doch sie hat in seiner Abwesenheit den verwundeten Medoro gepflegt und sich in ihn verliebt. Auch die Schäferin Dorinda liebt Medoro, und meint, dass diese Liebe erwidert wird. Sowohl Angelika als auch Medoro spielen mit den Gefühlen der anderen, der Magier Zoroastro jedoch ist der „Regisseur“, der hinter allem steckt und die Strippen zieht. In dieser Konstellation blühen alle möglichen Facetten der Liebe auf, Enttäuschung, Glück, Begehren, Eifersucht, Sehnsucht, Trauer. Und eben auch die Wut und der Wahnsinn, die den „rasenden Roland“ ergreifen.
Für die ganz unterschiedlichen Gefühlsregungen hat Händel bestechenden und differenzierten musikalischen Ausdruck erschaffen. Und kommt auch dabei mit wenig aus: Das Orchester besteht nur aus Streichern und Oboen (mit einem Einsatz der Flöten). Und gerade daraus entsteht eine musikalische Farbigkeit und Transparenz, die einzigartig ist in der Barockoper. Die klassischen Da-Capo-Arien ermöglichen dabei besonders in den Wiederholungen weitere klangliche Variationen und Ausdifferenzierung der beschriebenen Emotionen.
Die Reduktion auf wenige Handelnde und eine abgelegene Insel als Schauplatz bot auch dem Regieteam die Gelegenheit, diese Verdichtung auf die Spitze zu treiben. In der Inszenierung von Ute M. Engelhardt ist Orlando ein Kriegsheimkehrer, der mit den Verhältnissen im Frieden nicht zurecht kommt. Entgegen dem Willen des großen Magiers Zoroastro entsagt er dem Ruhm und sucht sein Heil in der Liebe. Orlandos Wahnsinn entsteht aus der Zurückweisung durch Angelica, sie liegt aber auch darin, dass er nicht verstehen kann, was das Töten im Krieg vom Morden in Friedenszeiten unterscheidet. Doch er wird auch durch die Manipulationen Zoroastros, der „seinen“ Held zu einem Leben im Ruhm, bzw. Krieg bekehren will, noch auf die Spitze getrieben.
„Krieg ist immer,“ sagt die junge Regisseurin Ute M. Engelhardt auf die Frage, wie aktuell diese Oper heute noch ist „und wir wissen heute vielleicht mehr darüber, welchen Schaden er auch in den Menschen, die ihn führen müssen, anrichtet.“ Und auch, dass Liebe gefährlich sein kann, erfahren wir fast täglich in den Nachrichten, in Berichten von Stalkern, Familientragödien und Eifersuchtsmorden.
„Orlando“ ist Engelhardts erste Regiearbeit an einer Barockoper, am Landestheater beeindruckte sie bisher mit der eindringlichen Inszenierung der Mono-Oper „Das Tagebuch der Anne Frank“ und sie schuf die Kinderoper zum Varus-Jahr, „Thusnelda“. Mit Catalina Bertucci als Angelica, Evelyn Krahe als Medoro, Beate von Hahn als Dorinda, Jörn E. Werner als Zoroastro und Benno Schachtner, Countertenor und Student an der Detmolder Hochschule für Musik als Orlando hatte sie ein junges Ensemble zur Verfügung, das sie für seine Energie und Spielfreude lobt und das sehr viel in die Inszenierung einbrachte. So wirken die Figuren heutig und lebendig, die Konflikte nicht Jahrhunderte entfernt, sondern nachvollziehbar und direkt. Entsprechend zeitlos sind auch die Kostüme von Hinrich Horstkotte, die sich weder auf die Entstehungszeit der Geschichte noch der Oper beziehen, sondern mit klassischen Schnitten die Figuren und ihre Positionen in der Liebeskonstellation verdeutlichen.
Musikalische Leitung: Jörg Pitschmann
Inszenierung: Ute M. Engelhardt
Ausstattung: Hinrich Horstkotte