In der Jurybegründung zum Kurt-Hübner-Preis heißt es:
In diesem Jahr ging kein Weg an ihr vorbei: Alize Zandwijk ist die Preisträgerin des Kurt-Hübner-Preises. Mit „Vögel“ von Wajdi Mouawad gelang der leitenden Regisseurin des Schauspiels zu Beginn dieser abgebrochenen Spielzeit ein sehr intimer, gleichwohl sehr politischer und ungeheuer intensiver Theaterabend, ein Paradebeispiel für die große Könnerschaft, die Regisseurin Alize Zandwijk und ihr überragend agierendes Schauspiel-Ensemble auszeichnet. Genauso intensiv, aber ganz anders war ihre zweite Arbeit mit elf Jungen bzw. jungen Männern im Kleinen Haus: „Frühlingserwachen“. Zum Zerreißen gespannt, in ständiger Bewegung, schutzlos sich allen Impulsen ausliefernd und trotzdem unerschrocken, entdecken und erspielen sich ihre Jungen Akteure Sexualität, Einsamkeit und Freundschaft. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer schauten ihnen atemlos zu. Genau wie den kochenden und erzählenden Müttern aus der letzten Spielzeit, die auch in dieser Spielzeit wieder das Foyer zu einer großen Küche machten und zu einem besonderen Ort der Begegnung. „Der Schimmelreiter“, im letzten Jahr für das Berliner Theatertreffen vorgeschlagen, ging derweil in dieser Spielzeit auf Tour, die Produktion gastierte in Bozen, Gütersloh, Ludwigshafen und wäre nach Brünn in Tschechien gefahren. Gespannt war man auf ihre nächste Auseinandersetzung mit Bertolt Brecht, doch kurz vor den Endproben musste „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ unterbrochen werden. „Gefühl wird zu Bewegung wird zu Musik.“ Das hat einmal ein Kritiker geschrieben und dieser Satz beschreibt sehr schön und pointiert die Arbeit von Alize Zandwijk. Es geht um Stimmungen, Haltungen, Seelenbilder und wie man diese gemeinsam in Bewegung setzt. Und dann ist eine gute Probe eine Jazzimprovisation und eine gute Inszenierung ein wunderbares Tanztheater mit und ohne Worten. Aber großen Gefühlen. Eine Alize-Zandwijk-Inszenierung ist unter Corona-Auflagen nicht vorstellbar.
Alize Zandwijk studierte bereits mit 18 Jahren Regie an der Theaterakademie in Kampen und begann ihre Karriere mit kleinen Theatergruppen in der Off-Szene. Später arbeitete sie für die Toneelgroep Amsterdam und Stella Den Haag. 1998 bildete sie gemeinsam mit Guy Cassiers die künstlerische Leitung des Rotterdamer RO Theater, 2006 wurde sie ebendort künstlerische Direktorin. Seit 2003 inszeniert sie regelmäßig in Deutschland, u. a. am Thalia Theater und am Deutschen Theater Berlin. Am Theater Bremen gab sie in der Spielzeit 2012/13 ihr Debüt mit Dea Lohers „Das Leben auf der Praça Roosevelt“, seit der Spielzeit 2016/17 ist sie leitende Regisseurin im Schauspiel am Theater Bremen.
Mit dem Kurt-Hübner-Preis zeichnen die Bremer Theaterfreunde e.V. seit 1996 jährlich eine besonders herausragende künstlerische Leistung am Theater Bremen aus. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wurde zuletzt an den Sänger Patrick Zielke (2015), die Schauspielerin Nadine Geyersbach und den Schauspieler Alexander Swoboda (2016), an die Jungen Akteure (2017) an den Chor des Theater Bremen unter Leitung von Alice Meregaglia (2018) und im vergangenen Jahr an den Schauspieler Simon Zigah (2019) verliehen. Benannt ist der Preis nach Kurt Hübner, der von 1962 bis 1973 Generalintendant am Theater Bremen war.
Der Nachwuchspreis der Bremer Theaterfreunde wird in diesem Jahr erstmalig vergeben, er ist mit 2000 Euro dotiert. Mit dem Preis sollen junge Theaterkünstler*innen ausgezeichnet werden, die aufgrund ihrer Leistung und Persönlichkeit als besonders förderungswürdig erscheinen. Er wird gemeinsam mit dem bereits 1996 ins Leben gerufenen Kurt-Hübner-Preis vergeben. Der erste Preisträger ist Killian Farrell.
In der Jurybegründung zum Nachwuchspreis heißt es:
Killian Farrell wird mit dem erstmals verliehenen Nachwuchspreis der Bremer Theaterfreunde ausgezeichnet. Der aus Dublin stammende Dirigent ist seit 2017 am Theater Bremen engagiert und wird hier zur kommenden Spielzeit im Alter von gerade einmal 26 Jahren Erster Kapellmeister.
Als Dirigent, Korrepetitor und Assistent des Generalmusikdirektors ist Killian Farrell eng in die aktuelle Entwicklung des Musiktheaters des Theater Bremen eingebunden. Am Pult der Bremer Philharmoniker konnte man ihn bereits in einem breiten Opernrepertoire von Mozarts „Zauberflöte“ über Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ bis zu Schostakowitsch‘ „Lady Macbeth von Mzensk“ erleben.
Mit Wolfgang Rihms Kammeroper „Jakob Lenz“ übernahm Killian Farrell nun erstmals eine Opernneuproduktion eigenverantwortlich als Musikalischer Leiter. Marco Štormans Inszenierung zählt zu den unbestreitbaren Höhepunkten einer daran nicht geizenden Spielzeit – nicht zuletzt aufgrund der überragenden Leistung von Claudio Otelli in der Titelpartie und des außergewöhnlichen Bühnenraumes von Jil Bertermann.
Die Jury zeigte sich beeindruckt von der Souveränität, mit der Killian Farrell die musikalischen Fäden in einem besonderen Musiktheater-Setting zusammenzuhalten wusste und so ein überzeugendes Plädoyer für die Relevanz der Neuen Musik in der Oper lieferte. Gerade bei avantgardistischer Musik kommt der Vermittlung eine zentrale Rolle zu. Dies wissend, ließ Killian Farrell es sich nicht nehmen, die Einführungsveranstaltungen kurz vor Vorstellungsbeginn gemeinsam mit der Dramaturgin Isabelle Becker persönlich durchzuführen. Er spielte am Flügel Auszüge vor, sang kleine Passagen, erklärte die Zusammenhänge – und weckte im Publikum mit seiner eigenen Begeisterung die Neugier auf diesen nicht alltäglichen Opernabend.
Killian Farrell studierte Klavier, Orgel und Dirigat am DIT Conservatory of Music and Drama in Dublin und absolvierte parallel dazu ein Studium der Musikwissenschaft am Trinity College in Dublin, das er 2016 mit Auszeichnung beendete. Bereits im Alter von 17 Jahren debütierte er als Dirigent in einer Aufführung von Bachs „Johannes-Passion“. Als Korrepetitor und Young Artist am National Opera Studio in London vervollständigte er seine Ausbildung, weitere wichtige Impulse erhielt er durch das Young Artists Program der Britten-Pears Academy und der Académie du Festival d’Aix-en-Provence, wo er eng mit Andris Nelsons und Thomas Adès zusammenarbeitete. Letzte Gastdirigaten führte ihn zu dem Musiekgebouw Amsterdam (Dutch National Opera) und das Ulster Orchestra, u. a..
Die diesjährige Jury setzte sich wie folgt zusammen: Prof. Michael Börgerding (Intendant Theater Bremen), Ursula van den Busch (Theaterfreunde), Rainer Glaap (Theaterfreunde), Christine Gorny (Radio Bremen), Iris Hetscher (Weser-Kurier), Lore Kleinert (Theaterfreunde), Daniel de Olano (Theaterfreunde), Peter Schulz (Freier Journalist) und Rolf Stein (Kreiszeitung).