Der Fall scheint klar, die Rechtslage eindeutig zugunsten des Klägers Kohlhaas. Doch auf Kohlhaas’ Weg durch die Instanzen wird der klare Fall zusehends trüber, Kohlhaas wird als Querulant beschimpft, die „Suppe sei zu dünn“. Und die Erklärung für die veränderte Rechtslage scheint heute noch so plausibel wie eh und je: an den Schaltstellen der Justiz und der Macht sitzen Tronkas Verwandte, Kohlhaas’ Klage verfängt sich in einem Netz aus Verwandten, Verschwägerten, Eigeninteressen und politischer Rücksichtnahme.
Also nimmt sich der Pferdehändler das Recht, wenn es ihm nicht gegeben wird. Einem Staat, der die Einhaltung der Gesetze nicht gewährleisten kann (oder will?), fühlt sich Kohlhaas nicht mehr zum Gehorsam verpflichtet. Bald scharen sich andere Unzufriedene, Benachteiligte und Rechtlose um ihn, Kohlhaas und sein Heer ziehen eine Spur der Verwüstung durch Sachsen – bis man sich endlich von höchster Stelle um ihn kümmert, der Fall Kohlhaas wird zum Politikum und entfernt sich mehr und mehr von einer „gerechten Sache“.
Heinrich von Kleist verbirgt in seiner Novelle, 1810 veröffentlicht, hinter dem historischen Rechtsfall aus dem 16. Jahrhundert die Kritik an seiner eigenen Zeit: an absolutistischem Machtmissbrauch, Willkür und Unterdrückung. Doch auch in Demokratien scheint es mitunter hilfreich, wenn man nicht nur die Gesetze kennt, sondern vor allem – den Richter.
Regie: Peter Raffalt
Bühne: Vincent Mesnaritsch
Kostüme: Elke Gattinger
Musik: Matthias Jakisic
Video: Florian Gruber
Licht: Marcus Loran
Dramaturgie: Claudia Kaufmann-Freßner
Mit TeilnehmerInnen des TheaterJahrs
Anna Hofmann
Amrei Keul
Larissa Semke
Genet Zegay
Aaron Friesz
Johannes Hoff
Noah Saavedra