Schon in der ersten Stunde verwies die Professorin weiße Studierende des Raumes, schrieb „Decolonize your soul“ an die Tafel und besprach Ursprung von und Umgang mit Identitätskämpfen. Und nun soll Saraswatis Karriere auf einer großen Lüge aufgebaut sein? Es entbrennt eine komplexe und hochemotionale Debatte: Nivedita postet unter dem Pseudonym „Identitti“ auf Twitter, und ihre Freundinnen organisieren Demos gegen diesen unglaublichen Fall von kultureller Aneignung. Währenddessen denkt Professorin Saraswati alle Argumente weiter, sodass bald niemand mehr weiß, was PoC („Person of Color“) nun eigentlich wirklich bedeutet.
Diese und ähnliche Debatten werden überall ausgetragen: auf der Straße, in der Universität, im Internet und schließlich auch im Theater, denn der Kulturbetrieb ist inzwischen ein identitätspolitisches Pulverfass, das allerdings dazu einlädt, Identitätsverhandlungen zu führen. Mithu Sanyals Roman „Identitti“ fragte 2020: Wer ist wer und wer kann für wen sprechen? Eine Frage, die wir uns auch immer wieder im Theater stellen: Wer kann glaubwürdig eine weiße Professorin spielen, die sich als Person of Color ausgegeben hat?
Eine Inszenierung von „Identitti“ braucht unbedingt einen neuen Eklat: „Identitti Rezeptionista“ ist ein Stück über die Rezeption des viel gelesenen, viel besprochenen und auch in vielen Theatern adaptierten Romans von Mithu Sanyal. Die Inszenierung lädt dazu ein, sich der eigenen Widersprüche bewusst zu werden und die politischen Fragen rund um den Stoff weiter zu diskutieren. Inszeniert wird „Identitti Rezeptionista“ von Simone Dede Ayivi, die eine Bürger*innenbühne zum Thema „Heimat ist ein Bauchgefühl“ erarbeitet hatte und deren Performance „First Black Woman in Space“ 2021 beim Internationalen Dramatiker|innenfestival in Graz zu sehen war.
REGIE
Simone Dede Ayivi
BÜHNE
Lani Tran-Duc
KOSTÜME
Mariama Sow
SOUND UND MUSIK
Katharina Pelosi
DRAMATURGIE
Hannah Mey
MIT
Vernesa Berbo
Iman Tekle
Chen Emilie Yan
Katrija Lehmann
Alexej Lochmann
weitere bereits disponierte Vorstellungen am 22. und 27. März, jeweils 20.00 Uhr, HAUS ZWEI