Deswegen wollen sie ihre Beziehung öffnen. Er öffnet und sie zieht mit. Der doch recht egoistische Mann präsentiert ihr ständig neue Kandidatinnen - doch ihr fällt es schwerer, einen Liebhaber zu finden. Zudem scheint ihr das Interesse zu fehlen, eine neue Beziehung einzugehen. Sie versucht deswegen eine neue Strategie zu entwickeln, um den spröden Ehemann zu beeindrucken. Mit einer Reihe kreativer Selbstmordversuche möchte sie das Feuer des Ehemannes wieder auflodern lassen.
Als sie dann einen jungen, gutaussehenden Professor kennenlernt, steht ihr Mann wiederum vor dem Selbstmord. Die Grenzen von Treue und Eifersucht gehen bei dieser rasant-flotten Inszenierung von Andreas Kriegenburg überzeugend über die Bühne. Die Kostüme von Andrea Schraad passen sich dem Ambiente an. Gabor Biedermann gefällt als aufgeblasener linker Hahnrei, der sich in eine unsagbare Hysterie hineinsteigert, als ihm die Frau nicht die Tür öffnen will. Sie fühlt sich schuldig und ungebliebt, reagiert mit Selbstmorddrohungen auf die Kränkungen. Die lautstark postulierte Freiheit beider Partner ist allerdings nur graue Theorie. Lügen und Leiden häufen sich dabei auf Kosten der Frau, ihr Mann versinkt im Selbstmitleid, zumal seine Frau erklärt, dass der neue Liebhaber vorbeikommt. "Ich bleibe hier", erklärt der Ehemann stoisch, den seine Frau nur abfällig als "Mösensammler" bezeichnet. "Antonia, ich liebe dich!" beteuert zuletzt der offensichtlich gehörnte Ehemann, der sich mit seinem Schicksal nicht abfinden will.
Die offene Zweierbeziehung hat ihre Nachteile. Er herrscht seine Frau nur noch an: "Halt's Maul, du Luder!" Und sie erklärt ihm, dass sie purer Sex weniger stört, als wenn Gefühle im Spiel sind. Doch sie ist schlagfertig: "Ich glaube, ich habe den Richtigen gefunden." Das gibt ihm den Rest. Nachdem er seiner Frau im Rahmen eines missglückten Selbstmordversuchs ins Bein geschossen hat, bekennt sie anscheinend reumütig: "Es gibt doch gar keinen Professor." Aber auch dies entpuppt sich wiederum als Lüge, denn der neue Liebhaber meldet sich plötzlich verführerisch per Haustelefon. Peer Oscar Musinowski leiht ihm gekonnt seine Stimme.
Und es gelingt dem Regisseur Andreas Kriegenburg, das Ruder völlig herumzureissen. Denn als der Ehemann jetzt im Bad verschwindet, geht plötzlich das Licht aus und er scheint tatsächlich Selbstmord zu begehen. Seine Ehefrau bleibt völlig fassungslos zurück. Die Machtverhältnisse in dieser Ehe haben sich total verändert. Therese Dörr und Gabor Biedermann gelingt es sehr gut, das unglaubliche Gefühlswirrwarr dieser skurrilen Ehe zu verdeutlichen. Sie behandelt ihren Mann immer wieder wie einen richtigen "Scheißkerl" und bezeichnet ihn als "Arschloch".
Deutlich wird dabei trotz aller Situationskomik aber auch, wie verheerend Beziehungsprobleme sind. In Italien wird das feste Paar als "coppia chiusa" bezeichnet, dessen Gegenstück das "offene Paar" ist. Manchmal vermisst man bei dieser insgesamt doch recht geglückten Produktion die Gelassenheit des "Dolce Vita". Und trotzdem kommt nirgends Langeweile auf. Man spürt aber auch, dass Dario Fo und Franca Rame nicht nur als Autoren ein glückliches Paar gewesen sind. Dario Fos Atheismus blitzt hier ebenfalls immer wieder auf. Begeisterung und viele "Bravo"-Rufe im Publikum. Gabor Biedermann schlüpft auch in die Rolle des jugendlichen Liebhabers.