Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
GLAUBE LIEBE HOFFNUNG im Stadttheater GiessenGLAUBE LIEBE HOFFNUNG im Stadttheater GiessenGLAUBE LIEBE HOFFNUNG im...

GLAUBE LIEBE HOFFNUNG im Stadttheater Giessen

Ein kleiner Totentanz von Ödön von Horvath

Premiere: 3. März 2007 | 19.30 Uhr | Großes Haus.

Die junge Elisabeth benötigt Geld: Um als Vertreterin für Korsette ihren Wandergewerbeschein bezahlen zu können, bietet sie dem Anatomischen Institut ihre Leiche schon zu Lebzeiten an.

AusMitleid leiht ihr der dortige kauzige Präparator das Geld, da er in ihr eine höhere Tochter sieht, docheine kleine Notlüge löst ihre Schicksalslawine aus. Sie will mit allen Mitteln ihren Weg suchen, um ein Stückchen Glück, das jedem zusteht, für sich zu beanspruchen. Doch ohne Geld keine Arbeit, ohne Arbeit kein Geld, noch weniger Wert, keine Existenz und schon überhaupt kein Glück. Aber sie lässt den Kopf nicht hängen. Ihre Instrumente heißen Esprit, Tatendrang und Ungestüm. Doch sie wirdschnell gebremst von den anderen, die sich für sie als Gesellschaft darstellen: Ein Kuriositätenkabinett skurriler Persönlichkeiten, denen man bei aller Groteske jederzeit auf der Straße begegnen könnte. Jeder darf in diesem Reigen einmal vorne stehen, jeder darf einmal heraustreten aus diesem Totentanz. Die Instrumente dieser Gesellschaft heißen Egoismus, Kapitalismus, Brutalität und Dummheit. Was sie verbindet, diese vor sich hin vegetierenden Individuen, ist vielleicht, dass sie schon längst aufgegeben haben. Dieser Horde, deren Reigen nur noch ein Laufrad darstellt, in dem keiner mehr vom Fleck kommt, im besten Fall mal kurz etwas oben, steht die Talfahrt schon wieder bevor. Im Grunde warten sie alle nur darauf, dass ihnen ein Ende gesetzt wird, denn gestorben sind sie schon lange. Undmittendrin steht Elisabeth, ein kleiner Fels in der Brandung, den die seelenlose Gesellschaft gnadenlos unterspült. Aber sie lässt den Kopf nicht hängen – noch nicht.

Ödön von Horváth, der scharfsinnige Analytiker des Kleinbürgertums, schrieb diesen kleinen Totentanz nach einem alltäglichen Fall, auf den ihn der Gerichtsreporter Lukas Kristl gestoßen hatte. Eine junge Frau, die durch eine (Not)lüge zum Opfer der kleinen Paragraphen, aber in viel stärkerem Maß der großen Grausamkeit ihrer Vollstrecker wird. Der unaufhaltsame Untergang einer jungen Frau als Geisterbahnfahrt in die tiefsten Abgründe unserer Wertegesellschaft ohne Seele. Der Konflikt erscheint dabei so heutig, dass man nicht glauben will, dass das Stück bereits über 70 Jahre alt ist.

Inszenierung: Titus Georgi

Ausstattung: Katja Wetzel

Mit: Kyra Lippler (Frau Amtsgerichtsrat)
Nicole Lohfink (Elisabeth)
Rike Schäffer (Maria)
Carolin Weber (Irene Prantl)
Isaak Dentler (Alfons Klostermeyer, ein Schupo)
Christian Fries (Präparator)
Johannes Lang (Joachim, der tollkühne Lebensretter)
Karsten Morschett (Der Baron mit dem Trauerflor / Ein zweiter Schupo)
Harald Pfeiffer (Oberpräparator / Ein Kriminaler / Der Oberinspektor)
Markus Rührer (Er selbst, der Amtsgerichtsrat)
Manuel Struffolino (Vizepräparator)

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

PLÖTZLICH GIBT ES ZWEI KOBOLDE -- "Meister Eder und sein Pumuckl" mit der Jungen Württembergischen Landesbühne Esslingen in der Kelter Bietigheim

"Niemand muss an Kobolde glauben". Davon ist Meister Eder überzeugt. Julian Häuser und Philip Spreen schlüpfen virtuos in unterschiedliche Rollen. In der Bühnenfassung und Regie von Jan Müller (Bühne…

Von: ALEXANDER WALTHER

SONGS IN UNGEWÖHNLICHEM ARRANGEMENT -- Orchesterkonzert Jewish Pop im Schauspielhaus STUTTGART

In den vergangenen Jahren war "Jewish Jazz" der Schwerpunkt. Nun erkundet das 2005 gegründete Jewish Chamber Orchestra Munich unter der einfühlsamen Leitung von Daniel Grossmann die Popmusikgeschichte…

Von: ALEXANDER WALTHER

UNHEIMLICHE VERWANDLUNGEN -- "Der Untergang des Hauses Usher" mit dem Studiengang Figurentheater der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart im Wilhelma Theater Stuttgart

Sehr viele technische Tricks und faszinierende Einfälle besitzt diese gelungene Produktion des Studiengangs Figurentheater. In der suggestiven Regie von Stephanie Rinke können sich die gespenstischen…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUS DEM DUNKEL INS LICHT -- Neue CD: Die Würth Philharmoniker und Thomas Hampson (Bariton) bei hänssler Classic

Das dritte Album der Würth Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Claudio Vandelli präsentiert den berühmten US-amerikanischen Bariton Thomas Hampson. Die Würth Philharmoniker, die auf…

Von: ALEXANDER WALTHER

NORDISCHE KLANGFARBEN -- Neue CD "Northern Colours" mit Felix Klieser (Horn) bei Berlin Classics erschienen

Im Zentrum des neuen Albums von Felix Klieser (Horn) steht das inspirierende Werk "Soundscape - A Walk in Colours" op. 118 von Rolf Martinsson, der 1956 in Schweden geboren wurde. Der Komponist hat…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche