
Vian übt Kritik am Existenzialismus, speziell dessen Hauptvertreter Jean-Paul Satre, dessen Namen er in Jean-Sol Partre umtauft, seine Gefährtin Simone Beauvoir wird zur Duchesse de Bovouard. Vian stellt die Vorstellung von Gesellschafts- und Geschäftsverhältnissen auf den Kopf, entblößt Ärzte und Apotheker, nimmt die Idee des Bohémelebens auseinander und veralbert die französische Haute Cuisine, mit Gouffé ist wahrscheinlich Auguste Escoffier gemeint, dessen Rezepte so eifrig von Nicolas, dem Koch Colins, der Hauptfigur des Romans, nachgekocht werden. Absurde Szenen, wie das Herzausreißen, erinnern an den Surrealismus.
Der prosaische Teil der Geschichte selbst ist schnell erzählt: es gibt zwei Liebespaare, die miteinander befreundet sind, Colin und Chloé, Chick und Alise, die zugleich die Nichte von Colins Koch Nicolas ist. Man speist gut, geht zu Lesungen Patres, auf Partys und zum Schaufensterbummel oder Eislaufen, lässt sich von Nicolas exzellent bekochen und genießt Cocktails aus Colins selbst erfundener Maschine Pianocktail. Gearbeitet wird nicht. Chick ist ein fanatischer Anhänger von Patre und kauft sämtliche Bücher von ihm, was ihn ruiniert. Ruiniert wird auch Colin, der aber sein ganzes Geld verbraucht und seine Besitztümer veräußert, weil Chloé, die er geheiratet hat, schwer krank ist. Colins Luxusleben ist vorbei, er entlässt Nicolas, sucht Arbeit, verliert sie, Chloé stirbt und erhält nur ein Armenbegräbnis. Alise ermordet Patre und zündet mehre Buchhandlungen an, um Chick von seiner Obsession zu heilen und ihn zurückzugewinnen. Beide finden jedoch den Tod. Die Maus, die bis zuletzt treue Gefährtin von Colin und Chloé war, begeht Selbstmord mit Hilfe einer Katze. Das alles ist angereichert mit Wortwitz, absurden Wendungen und surrealen Geschehnissen.
Im Düsseldorfer Schauspielhaus ist derzeit eine Inszenierung von Vians Romans zu sehen. Die Regisseurin Bernadette Sonnenbichler hält sich an den Ablauf des Geschehens und inszeniert nah am Text, selbstverständlich mit einigen Streichungen. Die Besetzung mit Sebastian Tessenow als Colin, Sophie Stockinger als charmanter, exzentrischer Chloé, Fnot Taddese als geduldiger, mondäner Alise, mit Jonas Friedrich Leonhardi als Chick und Jürgen Sarkiss in der Paraderolle des Kochs Nicolas, ist überzeugend. Auch die Maus findet einen angemessen Rollenvertreter in Form des Jazz-Trompeters Richard Koch, der fast immer auf der Bühne ist und quasi als Alter Ego Boris Vians fungiert, der ja nicht nur Autor, sondern ebenfalls Jazz-Trompeter war. Alle glänzen auch beim Wechsel in die anderen Rollen des Stücks (Arzt, Apotheker, Sartre).
Dem Bühnenbild hätte etwas mehr von der Ästhetik der bezaubernden Videos (beides Stefano Di Buduo) gut getan. Wesentliches Element des Buches ist ja nicht nur das Verschwinden von Einrichtungsgegenständen (die in dieser Inszenierung nur zum Haufen zusammengerückt wurden) aufgrund der zunehmenden Verarmung Colins, sondern es geht um die Versinnbildlichung durch die immer enger und klammer werdenden Räume, die eine zunehmende gefährliche Bedrängnis und Bedrückung ausdrücken sollen. Vom Luxus zur Armseligkeit, das spiegelt sich nicht so richtig wider. So kommt auch leider die Komponente der unheimlichen Atmosphäre nicht zum Tragen.
Es ist eine eher brave Inszenierung, der etwas mehr Schwung gut getan hätte. Zum Schluss gab es langanhaltenden Applaus.
Die Gischt der Tage
nach dem Roman von Boris Vian aus dem Französischen von Frank Heibert
Premiere am 18. Januar 2025
Besetzung
Chloé: Sophie Stockinger
Colin: Sebastian Tessenow
Alise: Fnot Taddese
Chick: Jonas Friedrich Leonhardi
Nicolas: Jürgen Sarkiss
Jazz-Trompete: Richard Koch
Regie: Bernadette Sonnenbichler
Bühne und Video: Stefano Di Buduo
Kostüm: Tanja Kramberger
Musik: Max Braun
Licht: Christoph Stahl
Dramaturgie: Stijn Reinhold


















