Fräulein Julie, die Tochter des Grafen, tanzt nur eine Runde zuviel mit dem Kammerdiener Jean. Sie sind allein, die Nacht ist hell, der Flieder duftet, und von weitem hören sie den Gesang der Bauersleute. Sie gehen zu weit, und schon ist es passiert: Sie lässt sich fallen, und er nimmt sich, was ihm nicht zusteht. Es gibt keinen Weg mehr zurück, nur die Flucht in den Traum von einem anderen Leben in Italien. Auch die Köchin Kristin kann ihnen nicht mehr helfen, denn Jean sitzt der Knecht so tief in den Knochen, dass dem Fräulein am Ende nur ein Ausweg bleibt.
Heutzutage scheinen die äußeren Klassengrenzen von damals überwunden, aber sie prägen unseren gesellschaftlichen Status, die Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsaussichten, selbst das Liebesleben immer noch. Fräulein Julie lotet die Grenzen aus zwischen Mann und Frau, oben und unten, Wunsch und Wirklichkeit. Jean, der von ganz unten kommt, sucht den Lebenssinn im sozialen Aufstieg, während Julie den Abgrund sucht. Julie und Jean ahnen, dass sie in dieser Welt keine Erlösung finden werden und suchen zwanghaft einen Ausweg, außerhalb der Welt, in ihren Träumen und Visionen und in der Erotik.
August Strindbergs naturalistisches Trauerspiel, wie er es selbst untertitelte, wurde weltweit sein meistgespieltes Stück. Zu seiner Entstehungszeit 1888 von der Kritik wegen seiner »vulgären Sprache« verrissen und von der Zensur zunächst als »unsittlich« verboten, überzeugt Fräulein Julie bis heute in seiner Radikalität der emotionalen und gesellschaftlichen Konflikte, in seiner Freizügigkeit und in seiner immer noch erstaunlich modernen und direkten Sprache.
Inszenierung Cilli Drexel Bühne Jürgen Höth Kostüme Julia Borchert Dramaturgie Christine Richter-Nilsson
Mit Jan Andreesen, Anna Maria Kuricová, Claudia Mau