Da verlangt der Seher Kalchas, der Heerführer Agamemnon solle seine Tochter Iphigenie opfern, um von der Göttin Artemis das Ende der Flaute zu erwirken. Unter dem Vorwand, Iphigenie mit Achilleus verheiraten zu wollen, lockt Agamemnon seine Tochter ins Lager. Dort angekommen, flehen sie und ihre Mutter Klytaimnestra vergeblich, die Opferung zu unterlassen. Doch schließlich, in einer überraschenden Wendung, stimmt Iphigenie selbst ihrer Tötung zu.
Euripides Tragödie »Iphigenie in Aulis«, 405 v. Chr. in Athen uraufgeführt, erzählt von der Mobilisierung für den Vernichtungskrieg gegen Troja. Vom Nachkrieg erzählt seine »Iphigenie in Tauris« (412 v. Chr.): Nach der Schlachtung am Altar findet sich Iphigenie – angeblich von der Göttin Artemis gerettet – in einem Land am Rande der Zivilisation wieder: Thoas, der Herrscher von Tauris, zwingt sie, alle Fremden, die seine Insel betreten, in einem Opferritual zu töten. Für Iphigenie wiederholt sich so immer wieder die Urszene der Gewalt...
Goethe gab in seiner berühmten Adaption des Stoffes dem Geschehen eine optimistische, geradezu utopische Wendung. Iphigenie wird bei ihm zur Ikone der Humanität, des Glauben, dass durch Einsicht die private und öffentliche Spirale der Gewalt durchbrochen werden kann. Doch in den letzten Jahrhunderten sind uns die euripideischen Tragödien, geprägt von einer tiefen Skepsis gegenüber dem Lernpotential der Menschheit, in mancher Hinsicht näher gerückt als Goethes aufklärerische Utopie.
Karin Henkel, 1970 in Köln geboren, inszeniert 1993 zum ersten Mal am Staatstheater Wiesbaden. Ab 1995 arbeitet sie am Wiener Burgtheater unter der Intendanz von Claus Peymann, wo sie äußerst erfolgreich mit Millers »Hexenjagd« debütiert. Seitdem Inszenierungen an vielen wichtigen deutschsprachigen Theatern: am Hamburger Thalia Theater, dem Berliner Ensemble, der Volksbühne Berlin, am Schauspielhaus Zürich, in Bochum, Bremen, Leipzig und Düsseldorf. In den letzten Jahren regelmäßige Arbeiten am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und Staatstheater Stuttgart. 2006 wird sie für ihre Theaterarbeiten mit dem Caroline Neuber-Preis der Stadt Leipzig ausgezeichnet. Ihre Stuttgarter »Platonow« Inszenierung wird im gleichen Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 2007 Nominierung zum Faustpreis mit »Liliom« (Staatstheater Stuttgart 2007). Am Schauspiel Köln inszeniert sie 2007/08 Molières »Der Menschenfeind«.
Es spielen Lina Beckmann, Felix Goeser, Angelika Richter, Clemens Schick, Maik Solbach und Julia Wieninger.
Regie: Karin Henkel, Bühne: Kathrin Frosch, Kostüme: Klaus Bruns, Dramaturgie: Rita Thiele
weitere Vorstellungen am 24., 27. und 29. Mai.