In Wirklichkeit leidet er an einer Verwundung der besonders schrecklichen und entwürdigenden Art: Er kehrt aus dem 1. Weltkrieg zurück, in dem man ihm seine Männlichkeit im wahrsten Sinn des Wortes weggeschossen hat.
Hinkemann, 1923 uraufgeführt, ist ein »Woyzeck des 20. Jahrhunderts«. In einer Welt der Verlierer, die von Armen und Depressiven bevölkert ist, in der jedermann nach kurzen Augenblicken der Ablenkung giert, ist Hinkemann zu allem bereit, um sich und seiner Frau Grete den Lebensunterhalt zu sichern und von ihr respektiert zu werden. Wenn ihm das nicht gelingt, so denkt er, was bleibt ihm dann noch? Er verdingt sich als schrilles Kuriosum auf dem Jahrmarkt, wo er gegen gutes Geld lebendigen Ratten den Hals durchbeißt und ihr Blut trinkt. Verborgen in der Masse sensationslüsterner Zuschauer schauen ihm seine Frau und ihr Liebhaber Paul, Eugens bester Freund, dabei zu.
Ernst Toller war ein hochengagierter und charismatischer Politiker der Weimarer Republik und der meistgespielte deutsche Dramatiker seiner Zeit, heute sind seine Stücke – die meisten entstanden wie Hinkemann während Hinkemann Hinkemann seiner langjährigen Gefängnishaft – bei uns fast vergessen. In Ex-Jugoslawien, wo der letzte Krieg noch sehr präsent ist, gehört das Kriegsheimkehrer-Drama, das expressionistische wie melodramatische Züge trägt, zum Repertoire. So erklärt sich auch die Wahl des jungen serbischen Regisseurs Miloš Lolić, das Stück in einer Koproduktion mit den Salzburger Festspielen in Düsseldorf auf die Bühne zu bringen.
Miloš Lolić studierte Theater- und Rundfunkregie in Belgrad, wo er auch regelmäßig inszeniert, seit einigen Jahren aber auch in Wien, München und Berlin. Er wurde mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnet, u. a. erhielt er 2012 den Nestroy-Preis in der Kategorie »Bester Nachwuchs« für seine Inszenierung von Magic Afternoon am Wiener Volkstheater, wo er zuletzt mit großem Erfolg Werner Schwabs Die Präsidentinnen zeigte. Ende Juni wurde er dafür von einer Fachjury renommierter österreichischer Theaterkritiker in der Kategorie »Beste Regie« mit dem Dorothea-Neff-Preis ausgezeichnet.
Eine Tragödie in drei Akten / Koproduktion mit den Salzburger Festspielen - Young Directors Project 2014
Mit
Hinkemann – Jonas Anders
Grete – Katharina Schmidt
Paul Großhahn – Daniel Christensen
Budenbesitzer – Christian Ehrich
Max Knatsch – Rainer Galke
Michel Unbeschwert – Frank Seppeler
Sebaldus Singegott – Markus Danzeisen
Die alte Frau Hinkemann – Irene Kugler
Regie – Miloš Lolić
Bühne – Sabine Kohlstedt
Kostüme – Jelena Miletić
Licht – Konstantin Sonneson
Dramaturgie – Almut Wagner
Dramaturgische Mitarbeit – David Tushingham