Ständig fühlt Odoardo sich bedroht von einem im Wandel befindlichen gesellschaftlichen Wertesystem. Seine Tochter hat längst verinnerlicht, dass ein einziger Fehltritt in die Katastrophe führen muss. Emilia glaubt und lebt die Maxime ihres Vaters, mehr als vor Gewalt fürchtet sie sich vor der eigenen Verführbarkeit. Als sie dem Prinzen Gonzaga begegnet, spürt sie zum ersten Mal die Wucht ihres „warmen Blutes“. In großer Angst flieht sie zu ihrer Mutter, doch der Machtapparat des Prinzen ist schon in Gang gesetzt. Sein Vertrauter, Marchese Marinelli, sorgt dafür, dass die junge Frau am Tag ihrer Hochzeit in die Hände des Prinzen fällt. Dabei scheut der Marchese auch vor einem Mord nicht zurück. Doch niemand rechnet mit der übernatürlichen Willenskraft und Stärke Emilias, die sie zuletzt gegen sich selbst richtet.
Lessing lässt sein Figurenpersonal in wenigen Stunden vom Glück ins Unglück stürzen. Atemlose Zeitknappheit beherrscht die Handlung, bis aus Hoffnung Verzweiflung geworden ist und Vernunft sich in Wahnsinn verwandelt hat. In dem 1772 uraufgeführten Trauerspiel geht es nicht um die Revolte des Bürgertums gegen die dekadente Oberschicht. Es geht um den Missbrauch von Gewalt, der einen Mord um der Ehre willen verursacht. Ein sozialer Konflikt eskaliert zum Kampf, die Blindheit für den Ausweg treibt die Beteiligten dem Tod entgegen. Lessing enttarnt die Egozentrik, die alle Figuren immer wiederkehrende Chancen zur Verständigung eitel verpassen lässt, bis eine junge Frau dem moralisch und religiös verbrämten Ehrwahn zum Opfer fällt.
Mit: Wolf Bachofner, Sonja Beißwenger, Christoph Franken, Picco von Groote, Daniel Lommatzsch, Torsten Ranft, Friedrich W. Rasch, Roland Renner, Martina Struppek
Regie und Bühne: Wilfried Minks
Kostüme: Ina Peichl
Dramaturgie: Beret Evensen