
Zwei Menschen verwandeln sich tatsächlich in Füchse. Die Füchsin macht Revolution auf dem Hof des Försters, wo sie immer wieder malträtiert wird. Sie reisst den Hennen den Kopf ab. Der Förster ist empört. Auf dem Heimweg durch den Wald verliert der angetrunkene Lehrer seinen Stock und stürzt. Der Lehrer glaubt, im Schatten der Wand seine Geliebte Terynka zu erkennen. Er gesteht der Füchsin seine Liebe. Und jetzt steigert sich der dramaturgische Spannungsbogen in dieser Inszenierung immer weiter. Die Füchsin beobachtet einen schönen Fuchs und ist von ihm hingerissen. Sie gesteht ihm, dass sie Nachwuchs erwartet. In einem unglücklichen Moment wird die Füchsin im dritten Akt von dem Wilderer Harasta erschossen. Zuletzt erkennt der Förster in einer wirklich ergreifend inszenierten Szene das wunderbare Wiedererwachen der Natur und das Einssein mit allen Lebewesen. Er sieht eine junge Füchsin, die ihrer Mutter gleicht. Man glaubt aber als Zuschauer fast, dass es die tote Füchsin ist, die wieder zum Leben erwacht!
Das Inszenierungsteam möchte mit dem Komponisten Janacek über das Lebendige sprechen. Natur, Mensch und Tier werden hinterfragt. Für Kimmig steckt in dieser Oper tatsächlich viel Traumhaftes. Die Füchsin ist eine Rebellin, ein "enfant terrible", das die Gesellschaft aufmischt. Sie lehnt sich in dieser Inszenierung sehr deutlich gegen männliche Gewalt auf. Der Wilderer verkörpert rohe männliche Gewalt - und es ist ein letzter Moment ihres Aufbegehrens. Janacek lässt den Traum von einer besseren und freieren Welt aufscheinen, davon ist das Inszenierungsteam überzeugt. Und auch die Männer träumen eigentlich davon, ihren engen Rollenbildern zu entkommen. Das hätte man hier bei manchen Passagen noch genauer zeigen können. Im Gegensatz zu den Tieren bleibt ihnen diese Befreiung versagt. Die Trennung wird auch durch die Kostüme deutlich.
Dem Regisseur geht es allerdings nicht um Dekoration, sondern um Sinnlichkeit als Erkenntnisform. Diese Sinnlichkeit nimmt im Laufe der Inszenierung zu, die visuelle Intensität wird dadurch gesteigert. Und die Füchsin steht in jedem Fall für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Der Förster entwickelt sich zu ihrer Gegenfigur. Er ist emotional gepanzert - doch diese Panzerung bröckelt. Dass bei Janacek verschiedene Welten gleichzeitig existieren, macht die Inszenierung ebenfalls überzeugend deutlich. Nur die Hip-Hop-Einlage ganz am Beginn scheint nicht zur Handlung zu passen, da gab es auch im Publikum "Buh"-Rufe und deutlichen Widerspruch. Das Bühnenbild ist hier allerdings ein Schwellenraum. Es liegt zwischen Fuchsbau und Raumschiff, zwischen Erde und Zukunft.
Inspiriert hat das Inszenierungsteam laut eigener Aussage der Film "Arrival". Dort begegnen Menschen einer außerirdischen Lebensform. Die Inszenierung möchte eine andere Form des Hörens wecken. Der hervorragenden Dirigentin Ariane Matiakh gelingt es mit dem Staatsorchester Stuttgart, die Poesie dieser Partitur ebenso zu wecken wie ihre dramatischen Momente. Naturliebe und tiefes Verständnis für alles Menschliche gehen ganz ineinander über. Höchste Prägnanz erhält so das Liebesidyll der Füchse im großen Finale des zweiten Aktes. Und auch die orgiastische Hochzeitsfeier der Tiere kommt nicht zu kurz. Neben dem "Waldweben" beeindruckt den Hörer dabei vor allem die grandiose Orchesterklage um den Tod der Füchsin, die sich dynamisch ungeheuer intensiv steigert. Burlesk und grotesk zugleich wirkt die Hühnerhofszene. Der Schluss der Oper mit dem Sehnsuchtsruf in Des-Dur hinterlässt einen tiefen Eindruck.
Die Polyrhythmik Janaceks mit mehreren gleichzeitigen Rhythmen sticht bei der ausgezeichneten Wiedergabe ebenfalls hervor. Die Klangwelt des Waldes entfaltet einen fast metaphysischen Zauber. Im Umgang der Zeit entfaltet sich dabei ein ganzer Kosmos, viele tänzerische Rhythmen und Bewegungsimpulse sprechen eine ganz eigene Sprache. Der Mensch erscheint als schillernde Figur in einer Doppelperspektive. Diese Doppelperspektive kann die ausgezeichnete Sopranistin Claudia Muschio als Füchsin sehr gut beleuchten. Auch Ida Ränzlöv als Fuchs gelingt es, feine gesangliche Schattierungen für diese Rolle zu finden. Der musikalische Gegensatz der Themen wird von der umsichtigen Dirigentin Ariane Matiakh mit dem Staatsorchester plastisch betont. Harmonische und dynamische Wechsel sowie markante Tremolo-Passagen der Streicher kommen nicht zu kurz. Vor dem Auftritt des Försters entsteht das Bild einer homogenen Welt in einer ununterbrochen dahinfließenden Eröffnungsmusik. Dann wird der Auftritt des Försters präzis hervorgehoben. Manche Passage erinnert hier sogar an Ralph Vaughan Williams.
Die Skala der Emotionen wird auch von den anderen Sängerinnen und Sängern in fesselnder Weise durchgehalten. Pawel Konik kann die innere Zerissenheit des Försters mit fulminantem Bariton darstellen. Olivia Johnson gibt Försterin und Eule passendes Profil, Moritz Kallenberg charakterisiert Lehrer und Mücke mit schlankem Tenor, Andrew Bogard ist ein scheinheiliger Pfarrer und ein frecher Dachs. Sehr robustes Profil besitzt Michael Nagl als skrupelloser Wilderer Harasta. In weiteren Rollen gefallen Catriona Smith als Frau Pasek und Eichelhäher, Torsten Hofmann als Herr Pasek, Itzeli del Rosario als Dackel/Specht, Oscar Encinas als Hahn, Carmen Larios Caparros als Schopfhenne, Luna Fahrenbacher als Grille sowie Felix Zimmerer als Heuschrecke. Und auch Nura Pilz als Jungfrosch, Marta Pfeifer als Jungfüchsin sowie Simon Musienko als Pepik und Alissa Kruglyakova als Frantik sorgen für starke Bühnenpräsenz. Der Staatsopernchor Stuttgart sowie der Kinderchor der Staatsoper Stuttgart bieten polyphone Glanzlichter.
Man kann sagen, dass diese Musik wirklich unentdecktes Land ist. Die Harmonik weist zuweilen weit in die Moderne. Melancholisch erscheint die geheimnisvolle Libellen-Musik für Bratschen und Englischhorn. Der Förster bringt auch harmonisch alles durcheinander. Hypnotische Bratschenklänge lassen ihn in den Schlaf sinken. Umgekehrte Dreiklänge und kreisende Flöten-Triolen beschwören eine Traumwelt. Die Ekstase des jungen Paares beim Einswerden mit der Natur am Ende der Oper leuchtet umso strahlkräftiger auf! Ein schrilles Triolen-Ostinato in den oberen Orchesterstimmen charakterisiert treffend das Leiden der Füchsin, die auf dem Hof von den Menschen gequält wird. Grandios erklingt zuletzt der Triumph des Waldes. Wilde Glockenklänge in großen Quarten und Quinten steigern die Intensität dieser glutvollen Musik zu einer fast erschreckenden Direktheit!
Jubel, Ovationen, viele verdiente "Bravo"-Rufe.












