Da ihre Proteste wochenlang nichts bewirken konnten, besetzten sie die Kirche, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Den meisten von ihnen drohte bei Ausweisung in ihr Heimatland der Tod.
»Wir sind gekommen, doch wir sind gar nicht da«, lässt die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek den Chor der Asylsuchenden sagen und verleiht denen eine Stimme, die in unserer Gesellschaft sonst keine haben. Sie bezieht sich in »Die Schutzbefohlenen« auf das älteste Flüchtlingsdrama der Theaterliteratur, Aischylos‘ Tragödie »Die Schutzflehenden«, auf die katastrophalen Zustände an den Außengrenzen der EU, auf die Themen Herkunft, Heimat und Hilfe.
Ironisch, poetisch und politisch nicht korrekt, konfrontiert sie uns damit, dass Menschenrechte nicht für alle gleich sind: Viele hundert Tote werden bedauernd in Kauf genommen (während gleichzeitig die Blitzeinbürgerung der Tochter Boris Jelzins oder des Opernstars Anna Netrebko ermöglicht wird). In der Abschiebung Hilfe suchender Menschen zeigt sich der Zynismus im Umgang mit Menschenrechten: Nie gelten sie für alle, sondern nur für die, die es sich leisten können. Jelinek konfrontiert uns sprach- und bildgewaltig mit der Wahrheit eines Europas, das im Inneren grenzenlose Freiheit verheißt und sich nach außen hin abschottet - und selbst denen, die es schaffen, alle Hindernisse zu überwinden, nur eine identitätslose, ungewisse Zukunft bietet. »Wir sind ja auch von selber gekommen, als schutzflehender Zug, bitte helfen Sie uns, unser Fuß hat ihr Ufer betreten, wenn er Glück hatte, doch wie geht es jetzt weiter? «
Philipp Rosendahl, geboren 1990, inszenierte bereits in der freien Szene, so 2011 in Kassel »Spring Awakening« von Duncan Sheik und Steven Sater nach Frank Wedekind, als er nach Abschluss seines Schauspielstudiums als Regieassistent ans Staatstheater Kassel kam. 2014 inszenierte er in Kassel das musikalische Bühnenstück »Vodar Eiland«, geschrieben und komponiert von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Nach verschiedenen kleineren Projekten war in der Spielzeit 2014/2015 »Tschick« seine erste Inszenierung am Staatstheater Kassel, die, ständig ausverkauft, auch in dieser Spielzeit noch zu sehen ist.
Brigitte Schima ist seit der Spielzeit 2011/12 als Ausstattungsassistentin und Bühnen- und Kostümbildnerin fest am Staatstheater Kassel. Sie war seitdem für die Ausstattung von »Norway Today«, »Türkisch Gold« und auch »Tschick« verantwortlich sowie für etliche Bühnen- und Kostümbilder außerhalb des Staatstheaters.
Inszenierung Philipp Rosendahl,
Bühne und Kostüme Brigitte Schima,
Musik Thorsten Drücker,
Dramaturgie Annabelle Leschke
MIT Sabrina Ceesay; Christoph Förster, Bernd Hölscher, Thomas Sprekelsen, Uwe Steinbruch
Nächste Vorstellungen: 18. und 25. Oktober und 15. und 27. November