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„Die Glückskuh“ von Hermann Essig im Vorarlberger Landestheater Bregenz

Premiere am 14.01.2011 um 19.30 Uhr im großen Haus

 

Das vertrackte Lustspiel Die Glückskuh erzählt die Geschichte der Rebekka Palmer, die sich bei Nacht und Nebel auf krummen Wegen eine Kuh beschafft.

Der Kuhraub hat gute Gründe: Rebekkle ist zwar hübsch, aber arm, und damit ist der Weg zum Ehestand versperrt. Ihre Lage ist umso prekärer, kündigt sich doch bereits Nachwuchs an. Helm Schwarz, ihr Liebhaber und der Bruder von Rebekkles bester Freundin Nane, kuscht vor den Eltern, die sich für ihren Sohn eine reiche Braut wünschen. Als Vater Palmer den reichen Bauernsohn Manuel Kolb allein in Rebekkles Kammer erwischt, ergreift er die Gelegenheit beim Schopf und sichert sich als Pfand Manuels Schuhe und Hose. Erpressen lassen wollen sich dessen Eltern natürlich nicht. Dann aber führt Rebekka plötzlich diese gescheckte Kuh vorbei und plötzlich ist sie heiß begehrt. Der Diebstahl kommt natürlich auf,

 

Rebekka scheint schon ihrem Schicksal als Diebin und uneheliche Mutter

ausgeliefert, da bestimmt die maschinengöttliche Gewalt des Herrn

Oberamtmann, dass der scheinbare Vater Manuel Kolb Alimente bezahlen

soll, die nun den richtigen Vater und Geliebten animieren sie zu heiraten: Der

Kuhhandel zwischen brutalen und zärtlichen Instinkten wird in rascher

Szenenfolge abgehandelt, hartkantig und präzise wie ein expressionistischer

Holzschnitt.

 

Die drastische Komik des Stückes, das für Hermann Essig zu seinen

‚Heimaterinnerungen’ gehörte wird unterhöhlt durch Essigs sezierende

Sprache, die die Habgier, den Neid, die Dumpfheit der Bauern heraustreibt.

Der Blick von der Großstadt Berlin auf das Dorf seiner Kindheit verklärt es

nicht zur Idylle, sondern zeigt das Regelsystem und die

generationsübergreifenden Denkhaltungen der bäuerliche Gesellschaft als

Zwangskollektiv und Notgemeinschaft, in der das ‚Ich’ viel weniger wichtig ist

als das ‚Wir.’

 

Hermann Essig:

Als Sohn des Truchtelfinger Pfarrers 1878 geboren, verbrachte Essig seine

Schulzeit in Weinsberg und Heilbronn, wo er am Karlsgymnasium sein Abitur

absolvierte. Er studierte an der Technischen Hochschule in Stuttgart. 1902

musste er wegen einer Lungenerkrankung zur Kur in die Schweiz und

begann dort zu schreiben. Ab 1904 lebte er in Berlin, zunächst als

Technischer Zeichner bei einem befreundeten Ingenieur, dann als freier

Schriftsteller. Er heiratete 1905 die Witwe von Emil Rosenow, eines

sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten und Schriftstellers. In den

Folgejahren versuchte er, im literarischen Leben Berlins Fuß zu fassen.

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es weder eine Aufführung noch einen Verlag,

der sich Essigs angenommen hätte. Über den Lektor des S. Fischer Verlags

Moritz Heimann kam der Schwabe schließlich zum Verlag Paul Cassirer. Hier

erschienen die schwäbischen Lustspiele Die Weiber von Weinsberg und Die

Glückskuh. Erst jetzt nahm die Kritik langsam von Essig Notiz, der

unablässig weiterschrieb.

 

1913 bedeutete für ihn die Verleihung des Kleist-Preis durch Jakob Schaffner (für den Held vom Wald) einen großen finanziellen und ideellen Erfolg. 1914 wird Essig zum Kriegsdienst eingezogen. 1917/1918 wird Essig für ein Jahr wird wegen Neurasthenie vom Wehrdienst freigestellt. 1918 wird Essig im April wieder zum Militärdienst berufen. Die Tragödie Mira, die Silberbraut bleibt unvollendet. Am 21. Juni stirbt Essig in Berlin Lichterfelde an einer Lungenentzündung.

 

Insgesamt verfasste er sechzehn Dramen, die naturalistische,

expressionistische und klassische Elemente verquicken. Sie sind von

Realismus gekennzeichnet und weisen stilistische und inhaltliche Bezüge zu

Gerhart Hauptmann und Frank Wedekind auf. Themen sind eine gegen das

Bürgertum gerichtete Sozialkritik, die Isolation des Einzelnen und die

Absurdität der menschlichen Existenz. Die nicht selten drastische Darstellung

und Thematisierung von Sexualität sowie starke satirische Elemente riefen

häufig den Zensor auf den Plan.

 

Eine bayerische Fassung der Glückskuh spielte das Münchner Volkstheater

Ruth Drexels 1988/89 sehr erfolgreich. Sie wurde auch für das Fernsehen

aufgezeichnet.

 

Rebekka Palmer Katrin Hauptmann

Vater Palmer Martin Olbertz

Nane Schwarz Alexandra-Maria Nutz

Helm Schwarz Alexander Meile

Vater Schwarz Wolfgang Pevestorf

Manuel Kolb Maximilian Laprell

Vater Kolb Mario Plaz

Mutter Kolb Heide Capovilla

Schultheiß Markus Menzel

Büttel / Landjäger Andreas Jähnert

Zeugen 6 Statisten Männerchor Bregenz

 

Regie Bernadette Sonnenbichler

Bühnenbild Peter Torp

Kostüme Tanja Kramberger

Dramaturgie Dorothée Bauerle-Willert

 

Weitere Aufführungen: 18.01./ 21.01./ 27.01./ 29.01./ 09.03./

20.03. 2011 jeweils um 19.30 Uhr

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