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DIE FUGE ALS KRÖNENDER ABSCHLUSS - "Falstaff" von Verdi in der Staatsoper Stuttgart

Samstag, 25. November 2023

In der Inszenierung von Andrea Moses erfährt Giuseppe Verdis letzte Oper "Falstaff" gegen Ende hin eine fulminante Steigerung. Alles konzentriert sich zuletzt auf die rasant musizierte Schlussfuge. Falstaff ist ein Schlitzohr, das nur Wein, verheiratete Frauen und Geld im Sinn hat. Er betrügt allerdings mit mäßigem Erfolg, nachdem er sein Geld in den Hurenhäusern Londons verprasst hat. Und er muss feststellen, dass er zuletzt selbst der Gefoppte ist.

Copyright: Martin Sigmund

In dieser sarkastischen Komödie ist schließlich nur das junge Paar Nannetta und Fenton glücklich. Das Zeitalter der Heuchelei wird von Andrea Moses in frappierender Weise auf die Schippe genommen. "Falstaff" ist außerdem wie Wagners "Parsifal" eine suggestive Vorbereitung auf den Tod - aber mit ganz anderen künstlerischen Mitteln. Andrea Moses unterstreicht dies mit einem Augenzwinkern. Der alternde Ritter verbringt den Tag mit Fressen und Saufen. Hier lebt der Zauber des "Dolce vita" zwischen den nüchternen Holzattrappen plötzlich wieder auf, man hört sogar Musik von Adriano Celentano (Bühne: Jan Pappelbaum; Kostüme: Anna Eiermann).  Eine positive Überraschung ist bei dieser Produktion der junge Dirigent Luka Hauser, der mit dem Staatsorchester Stuttgart die Feinheiten der Partitur mit der subtilen Verschmelzung von Arioso und Parlando minuziös herausarbeitet.

Auch die differenzierte Sprachmelodik kommt so nicht zu kurz. Die Singstimmen überzeugen allesamt mit koloristischen Reizen. Es kommt zu einer breiten melodischen Entfaltung, die die polyphonen und kontrapunktischen Effekte überzeugend betonen. Natürlichkeit und Klarheit der Mittel blitzen immer wieder deutlich hervor. Melismatische solistische Gesänge bilden wiederholt einen entscheidenden Mittelpunkt. Schon der famose Fortissimo-Beginn in C-Dur mit dem dreitaktigen Motiv eröffnet die Handlung hier mit einem Paukenschlag.

Als fulminanter Falstaff überzeugt vor allem Lucio Gallo mit nie nachlassender Emphase, der seinem ausdrucksvollen Bariton zudem einen erstaunlichen Klangfarbenreichtum entlockt. Die Komposition entfaltet sich auch hier spielerisch leicht aus der jeweiligen Handlungssituation. Insbesondere die mondbeglänzte Szene im Park gerät im dritten Akt nicht nur wegen der opulenten Eichen-Ausstattung ganz ins Zentrum des Geschehens. Man blickt auf diese Szene im Spiegelbild auch von oben herab. Die psychologischen Aspekte und subtilen Verbindungen mit der Musik werden überzeugend herausgearbeitet. Das ist neben manchen szenischen Schwächen die größte Stärke dieser Inszenierung.

Dies kommt auch den anderen Sängerinnen und Sängern zugute. Pawel Konik gewinnt als Alice Fords eifersüchtiger Gatte rasch Format - und auch Fenton (nuancenreich: Joseph Tancredi) und Dr. Cajus (facettenreich: James Kryshak) zeigen markante Gesangsleistungen. Leidenschaftliche Aufschwünge besitzt vor allem das Liebesduett Fentons mit Nannetta, wo Joseph Tancredi und Natasha Te Rupe Wilson ganz zusammenfinden. Vor allem die Frauen haben bei dieser insgesamt imponierenden Produktion immer wieder einen starken Auftritt, sie bilden ein in sich geschlossenes Ensemble. Die beiden gleich lautenden Liebesbriefe Falstaffs an Alice Ford und Meg Page entzünden das elektrisierende intrigante Feuer, was in der Musik klar zum Ausdruck kommt. Das wird an diesem Abend in ganz besonderer Weise deutlich.

Astrid Kessler als souverän deklamierende Mrs. Alice Ford, Natasha Te Rupe Wilson als deren wandlungsfähige Tochter Nannetta, Stine Marie Fischer als mondäne Mrs. Quickly und Ida Ränzlöv als raffinierte Mrs. Meg Page setzen dem alten Schwerenöter Falstaff auch gesanglich brillante Hörner auf, die er zuletzt im Stil der alten Opera buffa mit sonoren Kantilenen ergänzt. In rasendem Tempo macht er mit Schimpfwörtern seiner Wut Luft, nachdem bei der nächtlichen "Walpurgisnacht" dem von Thorsten Hofmann schalkhaft verkörperten Bardolfo die Kapuze vom Kopf gerutscht ist und Falstaff endlich begreift, welch unglaublichem Possenspiel er aufgesessen ist. Diese Szene besitzt in der Inszenierung von Andrea Moses etwas Satirisches, das aber durchaus realistisch wirkt.

In weiteren Rollen gefallen noch Jasper Leever als Falstaffs Diener Pistola sowie Maarten Güppertz als rustikaler Wirt, der wiederholt leckere mediterrane Speisen auftischt.  Und der von Bernhard Moncado wieder einmal souverän geleitete Staatsopernchor besticht mit schillernden Klangfacetten.

Stürmischer Schlussapplaus, "Bravo"-Rufe.
 

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