Die zynische Frage könnte wie eine Überschrift über allen drei Teilen stehen. Erzählt wird die Geschichte vom Zerfall und Ausverkauf eines alten französischen Adelsgeschlechts, der Familie Coûfontaine.
Die zur Trilogie zusammengefassten Dramen „Die Geisel“, „Das harte Brot“ und „Der Erniedrigte“ entstanden zwischen 1908 und 1916. Vor diesem aktuellen Hintergrund des beginnenden Weltkriegs konstruierte Claudel ein
historisches Dramengefüge, das sich dem 19. Jahrhundert widmet und damit der Vorgeschichte der Katastrophe. Die Familiensaga der Coûfontaines setzt 1812 ein, zur Zeit der napoleonischen Herrschaft, und endet 1869 mit
dem Bilde eines aller weltlichen Macht beraubten Papstes. Dazwischen spinnt sich der Faden einer Familiengeschichte als packend erzählte Saga des Verfalls, die zur Parabel über die Unbarmherzigkeit der voranschreitenden Zeit und den Verfall vermeintlich ewig gültiger Werte wird.
Symbolisch, sagte Claudel einmal, seien seine Figuren insofern, als sie historisch seien. Claudels Figuren sind Liebende, Glaubende, Zweifelnde, Überlebende, Tötende – also Menschen mit dem tragödischen Potenzial, das
einer jeden Biografie innewohnt. Das schmerzliche Erlebnis der Entwertung von Erfahrung und Geschichte durch den Zwang der Zeit und in einer Zeit der Zwänge buchstabiert Claudel nicht zuletzt über das Verhältnis zu Gott und
zur Religion. „Ganz gewiss ist nur Gott“, heißt es im Stück – doch was passiert, wenn die Begrifflichkeiten und Zeichen dieser Gewissheit zwischen Machtstreben und Gewinnsucht abhanden kommen?
Stefan Bachmann inszeniert die Trilogie an einem Abend und setzt damit eine Vision um, die Claudel selbst bereits in den Zwanziger Jahren äußerte. Mit seiner erfolgreichen Basler Inszenierung von Claudels „Der seidene Schuh“
hat Stefan Bachmann dazu beigetragen, dass der Autor Paul Claudel wieder stärker ins Bewusstsein der deutschsprachigen Theateröffentlichkeit rückte. Für die Inszenierung der Trilogie, der er den Titel „Die Gottlosen“ gibt, hat er mit Anja Schneider, Ruth Reinecke, Peter Kurth, Ulrich Anschütz, Florian Stetter und Andreas Leupold ein großartiges Ensemble um sich versammelt, das durch Melanie Kretschmann und Sebastian Blomberg als Gäste komplettiert wird.
Regie: Stefan Bachmann, Bühne: Michael Simon, Kostüme: Annabelle Witt, Musik: Felix Huber
Es spielen: Melanie Kretschmann, Ruth Reinecke, Anja Schneider; Ulrich Anschütz, Sebastian Blomberg,
Peter Kurth, Andreas Leupold