Erst die Schreckensnachricht, dass ein Prüfer aus der Hauptstadt unterwegs ist, um das Rechtswesen in den Provinzämtern einer Revision zu unterziehen, macht dem alten Adam Beine. Gerichtsrat Walter, der neue Revisor, ist schneller da als gedacht. Er erweist sich als resistent gegenüber allen verzögerungstaktischen Gaumenfreuden und schickt sich an, zügig dem ersten Prozess des Tages beizuwohnen, assistiert vom ehrgeizigen und karrierebewussten Gerichtsschreiber Licht.
Der zu verhandelnde Rechtsfall ist denkwürdig – geht es doch zum mindesten um den Wert des zerbrochenen Kruges, der am Vorabend von unbekannter Hand in der Kammer von Marthe Rulls Tochter Eve zerschlagen wurde. Schon eher ist die Frage, wer außer Ruprecht, Eves Bräutigam, zu der Kammer des Mädchens Zutritt hatte. Das zentrale Problem ist jedoch die Tatsache, dass der Täter selbst über seinen Fehltritt zu Gericht sitzt. Mit List und Bauernschläue, Einschüchterungsattacken und Erpressung versucht Adam, die Fäden in der Hand zu behalten und seine Täterschaft zu leugnen.
Dass der Krug, der in Eves Kammer zu Bruch ging, nicht zu kitten ist, genauso wenig wie das Vertrauen zwischen ihr und ihrem Bräutigam, wird schnell offenbar. Auch dass von der Verbesserung des Rechtswesens auf dem platten Lande nicht die Rede sein kann, weil gar kein Rechtswesen existiert, sondern Beamtenwillkür auf der einen und Unterwerfung auf der anderen Seite. Es gibt nicht zu viele, auch nicht zu wenige, sondern gar keine Vorschriften. So kommt es, dass der Revisor schnell die Tür des Augiasstalles in Huisum wieder zumacht, weil seine Kompetenz und vielleicht auch sein Wille nicht reichen würden, ihn auszumisten. An die Stelle des alten wird ein neuer Adam gesetzt – das Prinzip bleibt unangetastet.
Mit lustvoller Komik deckt Kleists Drama das korrupte Wesen der Gesellschaft im Bereich des öffentlichen Rechts auf; der 1805 vollendete Zerbrochne Krug zählt neben Lessings Minna von Barnhelm zu den wenigen bürgerlichen deutschen Lustspielen von klassischem Rang.
Regie: Deborah Epstein
Bühne und Kostüme: Florian Barth
Es spielen:
Jana Bauke, Alexander Gamnitzer, Stefan Kaminsky, Aleksandar Radenkovic, Berndt Stübner, Barbara Trommer, Silvia Weiskopf
Weitere Vorstellungen
So 05.11.2006 19.30 Uhr
So 19.11.2006 18.00 Uhr
Fr 24.11.2006 19.30 Uhr