Was dabei stattfindet, ist Theater auf dem Theater. Es gibt mehrere Vorhänge und die Protagonisten agieren immer wieder mit Masken. Die Bühne von Bert Neumann beschwört in großen Fassaden riesige Gebäude, die auf das Mantua des 16. Jahrhunderts hinweisen. Und die Kostüme von Nina von Mechow erinnern an Victor Hugos "Die Elenden". Höhepunkt der Inszenierung ist der in rötlichem Feuerschein stehende dritte Akt, wo Rigoletto mit dem Auftragsmörder Sparafucile in Verbindung tritt. Er naht mit seiner Tochter Gilda, um diese von der Untreue des Herzogs zu überzeugen. Er rät seiner Tochter, in Männerkleidung nach Verona zu fliehen. Sparafucile soll den Herzog töten und die Leiche dem Narren ausliefern.
Ab dieser Szene steigert sich die Spannung der Inszenierung ganz erheblich. Sparafuciles Schwester Maddalena vergnügt sich in der Behausung mit dem Herzog - und Gilda belauscht alles. Sie ist aus Verzweiflung bereit, sich für den Geliebten zu opfern. Als sie eintritt, trifft sie der tödliche Degen. Jetzt dreht sich die Bühne in fast gespenstischer Weise und ein Gewitter braust vorüber. Rigoletto empfängt von Sparafucile den in einem Sack verhüllten Körper des Opfers. Er erkennt seine Tochter Gilda, die mit ihren letzten Atemzügen um Vergebung bittet. Voller Schmerz sinkt Rigoletto unter der Last des Fluches auf der Empore zusammen. Dramaturgisch sind diese letzten Szenen äusserst packend gelungen.
Und auch musikalisch kann diese Produktion überzeugen. Unter der inspirierenden Leitung von Nil Venditti musiziert das Staatsorchester Stuttgart glutvoll, mit Brio und mit starker melodischer Intensität. Die deklamatorische Ausdruckswelt der einzelnen Figuren kommt so nie zu kurz. Die dynamische Steigerung imponiert insbesondere beim Quartett des dritten Aktes "Holdes Mädchen, sieh mein Leiden". Das zu Beginn erklingende Fluch-Thema besitzt geradezu eherne Größe und Macht, die Blechbläser stimmen es über einem Paukenwirbel mit unheimlicher Intensität an. Auch die leitthematische Wiederkehr dieses Themas arbeitet Nil Venditti mit dem Staatsorchester sehr gut heraus.
Beate Ritter meistert die schwierigen Koloraturen von Gildas Arie "Gualtier Malde...Teurer Name" bravourös. Filigraner Flötenklang begleitet hier die Singstimme im einleitenden Rezitativ. Dabei fällt das Variationsprinzip auf, das fesselnd gestaltet wird. Synkopen und Triller mit Vorschlägen illustrieren in reizvoller Weise das Geschehen, wobei Beate Ritter zuweilen fast mit den Instrumenten spricht. Auf einem langen Triller verharrend wird ihre Stimme allmählich leiser. Devid Cecconi als Rigoletto beherrscht den kompromisslosen Ausdrucksrealismus geradezu perfekt, sein Timbre als Bariton ist überaus wandlungsfähig. Bei der Arie "Höflinge, verdammte feige Zucht" steigert er sich in grandioser Weise zu maßloser Wut und Verzweiflung. Jagende Sechzehntel-Sextolen im Orchester unterstreichen die atemlose Dramatik dieser Szene. Es kommt zu einem Abfallen der Vokallinie und einer Verkürzung der Phrasen. Cecconi lässt den melodischen Zauber aber nie zu kurz kommen. Die "des"-Grundtonart der Oper erhält mit ihrer geheimnisvollen Verbindung nach "c" eine unheimliche Verbindungslinie, deren Intensität hier voll ausgeleuchtet wird.
Am Ende des zweiten Bildes lässt Devid Cecconi Rigolettos "Fluch"-Aufschrei von es-Moll nach des-Moll mit erstaunlichem Klangfarbenspektrum aufleuchten. Beim Duett mit Sparafucile (furios: Goran Juric) verbindet die Melodie der Celli ihn und den Mörder fast alptraumhaft. Kai Kluge gibt als Herzog ein ausgezeichnetes Debüt, das As-Dur seiner Arie "Questa e quella" ("Diese oder jene") besitzt ungemeinen Ausdruckszauber und große Strahlkraft. Bei der Cabaletta "Possente amor" betören den Hörer die Violinen mit dämonischer Grazie. Auch das H-Dur der Canzona beeindruckt aufgrund Kai Kluges kluger Stimmführung, die den Kantilenen ebenso bei "La donna e mobile" ("Die Frau ist unbeständig") immer genügend Raum gibt und auch dynamische Schattierungen einschließt.
Die übrigen Personen werden in dieser spannungsvollen Inszenierung überaus maskenhaft gezeichnet - das überträgt sich auch auf die musikalische Gestaltung. Monterone erscheint in der Darstellung von Aleksander Myrling als verlängerter Arm des c-Moll-Schicksals, wenn er von der Empore aus erscheint. Die Arroganz der Höflinge wird rhythmisch ausgesprochen scharf interpretiert. Die Unisono-Sequenzen zwischen Tenören und Bässen prägen sich tief ein. Die Herren des Staatsopernchores Stuttgart (Einstudierung: Bernhard Moncado) singen hier mit Wucht und Feuer. Itzeli Jauregui als Maddalena überzeugt ebenfalls mit Charakterisierungsreichtum.
Verdi interessierte an Victor Hugos Drama vor allem die diffuse Situation des körperlich und seelisch deformierten Narren, was die Inszenierung grell herausarbeitet. Der Vater und nicht der Höfling steht hier im Zentrum des Geschehens. In weiteren Rollen fesseln Joseph Tancredi als Höfling Borsa, Marion Germain als Gräfin von Ceprano, Junoh Lee als Graf von Ceprano, Jacobo Ochoa als Höfling Marullo, Rosario Chavez als Gildas Amme Giovanna, Robin Neck als Page der Herzogin von Mantua sowie William David Halbert als Gerichtsdiener.
Rauschender Schlussapplaus und viele "Bravo"-Rufe.