Das Stück spielt zur Zeit der Suezkrise, deren Verlauf in England als nationale Demütigung erlebt wurde. In seiner Aufführungsgeschichte wurde »Der Entertainer« zu einem universellen Stück über Verlust.
Christoph Marthaler wird das Stück aus seiner historischen Zeitgebundenheit lösen und in die heutigen Verluste und Abstürze transponieren. Es geht um eine Gruppe aus der Zeit gefallener Menschen in prekären Verhältnissen, die nicht mehr gefragt sind und daraus Unterhaltung machen. Sie sind eine Theaterfamilie von Entertainern, von Unterhaltungskünstlern, die in Liveshows vor Publikum analog auftreten in den Hansa-Theatern Europas, die teilweise einmal bessere Zeiten erlebt haben, und jetzt im sozialen Absturz mit viel Gin und viel Musik viel Unterhaltung produzieren.
Irgendwo außerhalb Europas werden irgendwelche Kriege geführt, an denen die in Europa Abstürzenden und Abgeschafften sich - anders als in Osbornes England - nicht mehr beteiligt fühlen. Man existiert in einer gerade noch möglichen Form und im rassistisch geprägten Bewusstsein, immer noch etwas besser zu sein als die afrikanischen oder türkischen Untermieter.
Die Form des Abends ist das Varieté und Entertainment. In den Auftritten, den Nummern und den Liedern der verlassenen Alleinunterhalter, die es immer wieder versuchen, die nicht aufgeben können, steckt das Leben und die Existenzform dieser Menschen. Insofern befinden sich die Personen in Christoph Marthalers »Entertainer« nicht in einer Wohnung, sondern in einem Theater vor und auf einer Bühne, und wir wissen auch nicht genau, ob ihre bizarren Gin-getränkten Dialoge nicht Teil einer Show sind, die möglicherweise im Fernsehen stattfindet.
Es spielen: Jean-Pierre Cornu, Rosemary Hardy, Irm Hermann, Jan-Peter Kampwirth, Josef Ostendorf, Sasha Rau, Bastian Reiber, Bettina Stucky, Michael Wittenborn. Tänzerinnen: Altea Garrido, Veronica Garzón, Begoña Quinones. Musiker: Andreas Boether, Volker Griepenstroh, Hartmut Kayser
Regie: Christoph Marthaler /
Bühne: Duri Bischoff /
Kostüme: Anja Rabes /
Musikalische Leitung: Andreas Boether /
Choreographie: Altea Garrido /
Licht: Annette ter Meulen / Dramaturgie: Stefanie Carp
Weitere Aufführungen: 18/2, 24/2, 4/3