Die mehr als vierzig Jahre später geschriebenen fünf Fanfaren "for the Uncommon Woman" von Joan Tower sind eine direkte Antwort auf Coplands Komposition, wobei die reizvolle Chromatik in besonderer Weise hervorstach. Das Trompetensolo besaß besonderen Glanz. Die erste Fanfare beginnt übrigens ähnlich wie die von Copland. Statt dem gewöhnlichen Mann widmete die Feministin ihre Komposition ungewöhnlichen Frauen, "die Risiken eingehen und abenteuerlich sind". Auch hier kommt es zu gewaltigen Crescendo-Steigerungen des Schlagzeugarsenals, die das Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele in reizvoller Weise auslotete.
Das Konzert für Viola mit dem beziehungsreichen Titel "I cannot love without trembling" von Cassandra Miller erklang anschließend als deutsche Erstaufführung. Lawrence Power (Viola) wurde dabei ausdrucksvoll vom Orchester der Schlossfestspiele begleitet, wobei der Dirigent Ryan McAdams auch die lyrischen Passagen in bewegender Weise unterstrich. Neben Pizzicato- und Glissando-Sequenzen waren hier Glockenschläge sowie Tremolo- und Vibrato-Passagen deutlich herauszuhören. Bei den einzelnen Sätzen wie Verse 1 "To love purely is to consent to distance", Verse 2 "I cannot love without trembling" oder Verse 4 "Absolutely unmixed attention is prayer" beeindruckten vor allem die dynamischen Kontraste und gewaltigen Blechbläsersteigerungen. Der harmonische Raum schien dabei in mehrerer Hinsicht gesprengt zu werden.
Höhepunkt war dann die mitreissende Interpretation der "Symphonie fantastique" op. 14 von Hector Berlioz, wo das Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele unter Ryan McAdams vor allem im Finale mit rasanten Tempi aufwartete. Wie man weiß, war Berlioz' unglückliche Beziehung zu der Schauspielerin Henriette Smithson der Anlass zu diesem ungewöhnlichen Werk. Ähnlich wie Schumanns "Manfred" ist dieses Stück ein Selbstporträt, was Ryan McAdams mit dem Orchester durchaus unterstrich. Im ersten Satz wurde eine schöne, keusche Frau als "idee fixe" leitmotivisch effektvoll charakterisiert. Das Thema gewann hier eine immer stärkere Intensität. Träumereien und Leidenschaften des jungen Künstlers erreichten einen Siedepunkt. Von Sehnsucht bis zur Eifersucht durchlitt er alle Qualen einer unglücklichen Passion für die Geliebte. Im zweiten Satz erschien diese "idee fixe" sphärenhaft und tänzerisch abgewandelt. "Auf dem Ball" erklang als eleganter Walzer, der Künstler sah seine Geliebte wie ein Traumbild vorbeischweben. Das Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele unter Ryan McAdams traf hier den Ton genau. Und im dritten Adagio-Satz erschien die "idee fixe" mit pastoralem Schalmeienklang. In der weiten Landschaft hörte der Künstler zwei Schäfer in Englisch Horn und Oboe, die einen elegischen Kuhreigen blasen. Da tauchte wieder das Bild der Geliebten auf - und jäh packte ihn die Furcht, sie könne ihn hintergehen. Ryan McAdams arbeitete mit dem Orchester die geheime Psychologie dieser Musik hervorragend heraus. Manches hörte man deswegen neu. Der Donner grollte plötzlich unheilvoll in die einsame Stille.
Als makabres Scherzo wurde der vierte Satz als "Gang zum Hochgericht" gedeutet. Der Künstler träumte, er habe seine untreue Geliebte ermordet und werde zum Richtplatz geführt, wo er seiner eigenen Hinrichtung beiwohnt. Grausig-düster hob der schauerliche Marsch an, bis die Guillotine erreicht wurde. Der letzte Gedanke des Verurteilten galt nochmals dem traumschönen Bild der "Geliebten", dann sauste das Fallbeil gnadenlos nieder. Grandios musiziert wurde der letzte Satz "Beim Hexensabbat", wo der Künstler der Versammlung von Gespenstern beiwohnte. Als Hexe kam die Geliebte herbei, Sterbegeläute ertönte. Dumpf setzte das feierliche "Dies irae" ein, man hörte Ächzen, gellendes Gelächter und fernes Schreien. Der Allegro-Teil gelang besonders gut, da erschien das Thema der Geliebten völlig verzerrt. Der Klang der Sterbeglocken (Glocken und Klaviere) leitete unheimlich zum Einsatz des "Dies irae" über. Und als überaus wilde Fuge begann der Hexentanz, der sich bis zum orgiastischen Schluss steigerte.
Jubel, Ovationen. Neben Intendant Jochen Sandig sprach auch Claudia Roth als Staatsministerin für Kultur und Medien ein Grußwort. Sie bezeichnete die Ludwigsburger Schlossfestspiele als "Fest für die Kultur": "Unsere Kultur braucht mehr Ludwigsburg!" Sie ging auch auf die jüngsten Übergriffe auf Journalisten und Politiker ein. Man brauche keinen Hass. Claudia Roth hob außerdem die Bedeutung von "The Länd" als Kulturnation hervor. Sie gedachte der unzähligen Opfer des Ukraine-Krieges.