Grupo Oito vertieft mit CARNE ihre Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich patriarchale, rassistische Strukturen und kapitalistische Strukturen in unseren Körpern und unseren Beziehungen, in unserer Art zu fühlen und zu denken manifestieren und wie diese ‚überschrieben‘ werden können. Inspiriert von der anthropophagen Avantgarde-Bewegung Brasiliens nähert sich die Produktion den Themen Körperlichkeit, Begegnung und Sinnlichkeit.
Bühnenbild (Andreina Vieira dos Santos) und Licht (Raquel Rosildete) schaffen einen intimen Raum. Mit Pflanzen, Früchten und Elementen, die mit Wesen aus dem Kosmos afrodiasporischer Spiritualität in Verbindung stehen, wird eine Landschaft kreiert, mit der die Körper interagieren oder auch verschmelzen. Zentral ist ein beweglichen Tisch, auf dem sich die Tänzer:innen wie auf einer Tafel, einer Bühne auf der Bühne oder einem Altar bewegen können. Wer steht – auch angesichts aktueller Kürzungen im künstlerischen und sozialen Bereichen - in Kulturbetrieb und Gesellschaft im Rampenlicht? Wessen Körperkraft hält die Struktur in Bewegung?
Das Element der roten Fäden oder Seile, mit dem Grupo Oito schon in vielen Arbeiten gespielt hat, um Netze, Knoten, Verbindungen zu visualisieren, nimmt hier den logischen nächsten Schritt und kommt noch näher an den Körpern zum Einsatz. Rote Seile visualisieren unsichtbare in Körper eingeschriebene Muster und Verbindungslinien, die einschränken und Halt geben können. Welche Folgen hat strukturelle Unterdrückung für einzelne und kollektive Körper, und wie bleiben diese dennoch in Bewegung?
In CARNE treffen Mittel aus zeitgenössischem Tanz und Body Performance auf interdisziplinäres afrodiasporisches Erfahrungswissen über die selbstermächtigende und transformatorische Musikalität, Poetik und Sprache von Körperlichkeit. Den Rahmen bildet die von Ricardo de Paula entwickelte Körpermethode „Get Physical“, die die Ausweitung der Bewegungsfreiheit durch Ganzkörpereinsatz in Bodenkontakt trainiert.
Der Choreograf Ricardo de Paula hinterfragt den Körper als Repräsentation einer Kultur, als Symbol, als Subjekt in objektivierenden Sehgewohnheiten, als Individuum, als Teil von Gemeinschaft. Der Körper kann Projektionsfläche oder Schlachtfeld, Altar oder Tempel werden, und er ist der Ort von Verlangen, Bedürfnis, Lust, Grenzüberschreitung und Transformation.
Mit einem überwiegend Schwarzen Ensemble und Team will CARNE in einen Raum des Empowerments und der grenzüberschreitenden Begegnung einladen, der Schwarze Positionen zentriert. Insbesondere weiße Zuschauer:innen sind eingeladen, den eigenen Blick auf Schwarze Körper und die Assoziationen von Rollenzuschreibungen, Machtstrukturen und Beziehungsformen zu reflektieren.
Ricardo de Paula ist Choreograf, Tänzer, Performer und künstlerische Leitung von Grupo Oito. Er tanzte u.a. mit Grupo Corpo (Brasilien), Zikzira Physical Theater (Brasilien), Staatstheater Kassel sowie den Choreograph:innen Sasha Waltz und Felix Ruckert. Seit 2005 entwickelt er eigene Solostücke. Mit dem von ihm gegründeten Ensemble Grupo Oito erarbeitete er seit 2006 mit seiner Methode Get Physical Process zahlreiche Stücke, die u. a. im Ballhaus Naunynstraße, Gropius Bau und HAU Hebbel am Ufer gezeigt wurden.
Grupo Oito ist ein Kollektiv und arbeitet seit 18 Jahren in Berlin mit der von de Paula entwickelten Methode des „Get Physical Process“ sowie der kontinuierlichen intersektionalen Reflektion gesellschaftlicher Muster, die sich an Hand der diversen Ensemblekonstellation sichtbar machen und transformieren lassen. Zu den wichtigsten Ensemble-Arbeiten zählen “Dance for sale” (2010, Erweiterung 2015 in Nairobi, Kenia); “Sight” (Ballhaus Naunynstraße, 2012),
“Unrestricted Contact” (Ballhaus Naunynstraße, 2017), „Ubiquitous Assimilation“ (Gropius Bau Berlin, 2021), „Present Body“ (HAU, English Theatre Berlin, 2020-2023), „Labyrinth“ (HAU Berlin, 2023) und zuletzt „Name it“ (Urbane Intervention, 2023). Produktionen von Grupo Oito waren auf Gastspielreise u. a. in der Türkei, in Frankreich und in Nairobi. CARNE ist die erste Arbeit in Kooperation mit der Tanzfabrik.
Neben der eigenen kollektiven Arbeit wird der Austausch mit vielen Perspektiven gesucht, u.a. durch die Arbeit mit Gästen. CARNE ermöglicht etwa die erstmalige Zusammenarbeit mit Caritia Abell, als multidisziplinär:e Künstler:in und Gründer:in des „Karada-House“ eine Ikone der Empowerment-orientierten, intersektional bewussten und Kink-positiven Körperarbeit. Ausgehend von dem regelmäßigen Training des „Get Physical Process“ und in Verbindung mit einem breiten interdisziplinären Netzwerk von Künstler:innen und Aktivist:innen haben Grupo Oito die freie Tanzszene in Berlin und damit die kritische Avantgarde von heute maßgeblich mit beeinflusst.
Performer*innen: Caritia Abell, Martina Garbelli, Cintia Rangel, Ruben Nsue, Ricardo de Paula, Thiago Rosa Regie, Choreografie: Ricardo de Paula Assistenz Choreografie: Peti Costa Dramaturgie: Nora Haakh Bühne und Kostüm: Andreina Vieira dos Santos Musik: Biano Lima Licht: Raquel Rosildete Öffentlichkeitsarbeit, Social Media Manager und Grafikdesigner: Marcelo Vilela da Silva Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Yven Augustin Produktion: MIFRUSH Production (Micaela Trigo & Urszula Heuwinkel) Assistenz Produktionsleitung: Tamera Vinhas da Silva Foto- und Videodokumentation: Ferit Barak Lichtdesign-Assistenz: Alexandra Úhlarová Bühnen- und Kostümassistenz: Isabel Monti
Produktion: Grupo Oito Koproduktion: Tanzfabrik Berlin
Gefördert durch: Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Ort
Uferstudios 14
Badstr. 41A, Uferstr. 23
13357 Berlin
Termine
» 13.+14.09., 20:30 Uhr
» 15.09., 18:00 Uhr
Online
» grupooito.com
» tanzfabrik-berlin.de