Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Calamari Union" nach dem Film von Aki Kaurismäki, Städtische Bühnen Münster "Calamari Union" nach dem Film von Aki Kaurismäki, Städtische Bühnen Münster "Calamari Union" nach...

"Calamari Union" nach dem Film von Aki Kaurismäki, Städtische Bühnen Münster

Premiere: Mittwoch, 14. April 2010, 19.30 Uhr, Kleines Haus

Fassung von Ralph Blase mit Songs von Andreas Binder und Ralph Blase

 

Aki Kaurismäkis Film beschreibt die Flucht einer Gruppe Männer aus ihrem verkommenen Stadtviertel in den betuchten und Freiheit versprechenden Vorort Eira.

 

Dort ist der Verkehr ordentlich geregelt und das Meer verspricht einen weiten Horizont. Aber der Weg der Männer, die alle Frank heißen, in das gelobte Paradies wird zu einer absurden Odyssee. Sie zergliedern die fünf Kilometer Distanz in mehrere Etappen und verschiedene Routen. Die Stadt zeigt sich als Ort der Verheißung und des Chaos’, die Gruppe dezimiert sich. Wer nicht sein Leben verliert, verfängt sich in den lockenden Armen einer schönen Frau. Orientierungslos und mit sich selbst beschäftigt kommen die Franks nicht vom Fleck.

 

„Wir kennen alle die Lebensumstände. Enge Verhältnisse, Ignoranz und Hunger. Frei herumlaufende Hunde und Kinder machen es unmöglich, auf die Straße zu gehen. Wie Aussätzige verstecken wir uns in den Seitengassen. Wir werden erniedrigt und bespuckt.“ – Eine Gruppe von Männern, die alle Frank heißen, ist sich einig, dass sie so nicht glücklich werden können. Sie sehnen sich nach einem Ort, der ihnen mehr Luft zum Atmen lässt, wo der Verkehr ordentlich geregelt ist und das Meer einen weiten Horizont verspricht. Sie brechen auf nach Eira, das am anderen Ende der Stadt liegen soll.

 

Aber die Protagonisten verirren sich im Dickicht der Großstadt. Sie zergliedern die fünf Kilometer Distanz in mehrere Etappen und verschiedene Routen. Die Stadt zeigt sich als Ort der Verheißung und des Chaos’. Denn an jeder Ecke des unentrinnlichen Asphaltdschungels lauert der Tod, und Mitglieder der Gruppe verschwinden unter mysteriösen Umständen. Die Versuchung offenbart sich in Gestalt schöner Frauen. Sie werden zum Verhängnis für die Franks, denn sie sind auf schicksalhafte Weise mit ihrem Scheitern verquickt. Schon ganz normale Sekretärinnen, Taxifahrerinnen, Bankerinnen oder Psycho-loginnen reichen den Franks – die sich selbst im Weg stehen – zu ihrem Unglück.

 

Teresa Rotembergs Inszenierung verbindet Aki Kaurismäkis Filmstoff mit Songs von Andreas Binder und Ralph Blase, die ursprünglich für das „Roadtanzstück“ DOS AMIGOS Y UNO MAS entstanden sind, das Rotembergs Tanz-Company MAFALDA im September 2007 im Züricher Tanzhaus Wasserwerk herausbrachte, und das ebenfalls auf Motiven aus Kaurismäkis Film basierte. In der Schauspielinszenierung „Calamari Union“ werden die Songs von den Schauspielern live gesungen und musikalisch begleitet. Sie handeln von der Ahnungslosigkeit der Franks, ihren grotesk-komischen Niederlagen und brutalen Frauen, die sie aussaugen und verlassen. In den Songs artikuliert sich ihr immer weiter von seiner Realisierung sich entfernender Traum, eines Tages doch noch groß heraus zu kommen, sei es auch nur im letzten Club am Rande der Stadt. Der Soundtrack von Tho-mas Peter verarbeitet Klänge des argentinischen Tangos zu geheimnisvollen und kraftvollen Toncollagen.

 

Der 1957 geborene Filmregisseur Aki Kaurismäki arbeitete während seines Studiums der Literatur- und Kommunikationswissenschaften und danach als Kellner, bei der Post und als Tellerwäscher in einem Grandhotel. Als Filmkritiker bei einer finnischen Filmzeitschrift begann er autodidaktisch, Drehbücher zu schreiben. Kaurismäkis Filme haben häufig Schicksale von gesellschaftlichen Außenseitern in Helsinki zum Thema. Sie zeichnen sich durch sparsame Dialoge aus und durch ihren skurril-lakonischen Humor. Wie Alfred Hitch-cock oder Jean-Luc Godard tritt Kaurismäki manchmal in Statistenrollen in seinen eigenen Filmen auf. Kaurismäki arbeitet regelmäßig mit einem festen Stamm an Schauspielern, beispielsweise fast immer mit Kati Outinen. Kameramann all seiner Filme ist Timo Salmi-nen, der für Kaurismäkis kargen Erzählstil die korrespondierenden minimalistischen Bilder komponiert. Zusammen mit seinem Bruder Mika Kaurismäki, der ebenfalls Filmemacher ist, gründete Aki Kaurismäki 1986 das „Midnight Sun Film Festival“, außerdem gründeten die Brüder die Verleihfirma „Villealfa“. „Calamari Union“ ist Aki Kaurismäkis zweiter Film, und entstand 1985. 1990 verließ Aki Kaurismäki Finnland gemeinsam mit seiner Frau, der Malerin Paula Oinonen, um in Portugal zu leben. Nach drei Auslandsproduktionen kehrte er 1994 filmisch in seine Heimat zurück und dreht seitdem ausschließlich in Finnland.

 

Kooperation mit der Brotfabrik Bonn

 

Regie: Teresa Rotemberg

Bühne/ Kostüme: Fabian Lüdicke

Komposition: Thomas Peter

Arrangements/ Musikalische Leitung: Andreas Binder

Dramaturgie: Justus Wenke

 

Mitwirkende:

Judith Patzelt (Empfangsdame/ Bankerin/ Frau/ Taxifahrerin/ Psychologin/ Autofahrerin/ Sekretärin); Frank-Peter Dettmann (Frank 1), Bernhard Glose (Frank 3), Ilja Harjes (Frank 4), Tim Mackenbrock (Frank 2), Jeroen Mosselman (Frank 5)

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 22 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

NICHT AUF DEN LITURGISCHEN BEREICH BESCHRÄNKT --- Bruckners e-Moll-Messe und Motetten bei BR Klassik

Anders als die frühe d-Moll-Messe blieb die 1866 in Linz komponierte e-Moll-Messe nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt. Die alten Kirchentonarten stehen bei der Messe in e-Moll von Anton…

Von: ALEXANDER WALTHER

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑