2006: Mozart-Jahr, Schumann-Jahr, Heine-Jahr - viel der Ehrungen, manchmal zu viele, wenn man bedenkt, dass die auf diese Weise Bedachten auch sonst nicht gerade unterrepräsentiert sind im heutigen Kulturbetrieb. Angesichts dessen liegt es nahe, das runde Datum, ob Geburts- oder Sterbejahr, für allerlei ehrgeizige Ausgrabungen oder Werkschauen zu nutzen, so geschehen beim Salzburger Zyklus sämtlicher Mozart-Opern. Andererseits darf auch Altbekanntes, so es denn originell präsentiert wird, beim Musikfreund auf Beifall rechnen. Letzteres hatten die Pianistin und Dirigentin Anna Skryleva und der Sänger Dieter Schweikart wohl bei einem Abend anlässlich des 150. Todestags von Heinrich Heine im Sinn. Um den "Dichter der Liebe" sollte es gehen, dessen Verse wie bei keinem anderen deutschsprachigen Poeten zur Grundlage von Liedkompositionen geworden sind. Und als dramaturgischen Rahmen hatte man sich den Verlauf der vier Jahreszeiten ausgewählt - eine bunte Folge lyrischer Bilder also, bei der Gesprochenes, Gesungenes und rein Instrumentales unterhaltsam miteinander abwechseln sollten.
Der freundlichen Reaktion der angesichts des Freitagabends erfreulich zahlreich erschienenen Zuschauer nach zu urteilen, wurde diese Absicht in vollem Umfang erreicht. Am meisten allerdings trug dazu ein Werk bei, das gar nichts mit Heine zu tun hatte, nämlich Astor Piazzollas berühmter Zyklus der "Cuatro Estaciónes Porteñas" (1965-70), leidenschaftlich und klangprächtig vom EURONOVA Kammerorchester dargeboten. Nachdem die einzelnen Jahreszeiten jeweils mit ebenso scharfkantigen wie schmelzenden Tango-Rhythmen eingeläutet waren, ging es dann mit Heine zur Sache: Neben Lyrik im O-Ton kamen Vertonungen von Schumann, Brahms, Loewe, Berg oder Mendelssohn zu Gehör, dessen berühmtes "Auf Flügeln des Gesanges" natürlich nicht fehlen durfte. Die Sänger, darunter Andrés Felipe Orozco-Martínez, David Pichlmaier und Svetlana Smolentseva, wussten bei diesen Standardnummern des Liedrepertoires ebenso zu gefallen wie Dieter Schweikart, der, obschon im eigenen Metier unbeschäftigt, der Heineschen Lyrik mit solider Rezitation gerecht wurde.
Aus Sicht des Publikums hilfreich gewesen wäre ein Moderator, der mit ein paar Orientierungshilfen durch das Programm hätte führen können - zumal der Programmzettel in dieser Hinsicht allzu schlicht ausgefallen war. Auch wenn bei den Heine-Liedern natürlich jedem seine eigene Favoritenliste zugestanden ist, war es bedauerlich, dass so wichtige Komponisten wie Hugo Wolf oder gar Franz Schubert völlig fehlten. Dessen zu seiner Zeit völlig singuläre bohrende Heine-Exegese aus dem "Schwanengesang" hätte nämlich auch mit dem Vorurteil aufgeräumt, es sei bei den Vertonungen dieses Dichters immer wieder nur auf eine beschauliche Romantik hinausgelaufen. Ungenutzt blieb auch die Möglichkeit, verschiedene musikalische Fassungen desselben Gedichts einander gegenüberzustellen oder das gesprochene Wort mit der auskomponierten Variante zu konfrontieren. So blieb am Ende der ganze Strauß etwas unverbindlich - auch und gerade weil man bei den einzelnen Blüten mit Beifall nicht geizen mochte.
Datum: 13. Oktober 2006
Konzept: Dieter Schweikart
Ort: Köln