Die ausgesprochenen Einwände richten sich meist gegen das Textbuch und seine freilich ästhetisch angreifbare Verfasserin“, so Werner Oehlmann. Mag es dem Textbuch auch an dramaturgischer Klarheit mangeln, so ist es doch reich an Phantasiefülle sowie innerer Spannung und bot der Weberschen Musik eine geeignete Grundlage, um die unbewussten Seelenzustände der Protagonisten zu bespiegeln.
Im Mittelpunkt steht die duldende Euryanthe, die aus Liebesträumen in Abgründe tiefster Verzweiflung stürzt. Ihre Gegenspieler, die falsche Freundin Eglantine und der machthungrige Lysiart, sind Prototypen des romantischen Musiktheaters. Die Handlung spielt in Frankreich, Anfang des 12. Jahrhunderts, zur Zeit Ludwigs VI. Während eines Hoffestes, das zu Ehren der siegreich zurückgekehrten Ritter stattfindet, singt Adolar ein Minnelied zum Preise seiner treuen Braut Euryanthe. Der neidische und zynische Lysiart hält dagegen, indem er behauptet, Euryanthe verführen zu können; daraufhin verwetten die Gegner ihr jeweiliges Erbe. Was nun folgt ist ein streifenhaft aneinander gereihter Wechsel zwischen idyllischen und dämonischen Momenten: Das Bild des heiteren Musenhofes, die leichtsinnige Wette um Frauentreue, die raue Wildnis, Adolars Kampf mit der Schlange, das düstere Hochzeitsfest des Verbrecherpaares, Euryanthes Scheintod und Wiedererwachen, sind alte, überlieferte Märchenmotive. Dagegen verweisen bereits auf das Werk Richard Wagners folgende Themengebilde: Die Gestalt der entrechteten Eglantine, der unglücklichen Tochter eines Rebellen, deren Liebe Adolar verschmäht hat und die sich daraufhin mit dem besitzhungrigen Lysiart vereint. Beide versuchen im Verlauf der Geschichte Euryanthe mittels einer heimtückischen Intrige, die einen Fluch beladenen Ring zum Ausgangspunkt hat, zu vernichten.
Was nun die Webersche Partitur angeht, so birgt sie in sich geradezu erregend Neues und Zukunftsweisendes. Bisher in der Operngeschichte noch nicht da gewesene, unerhört heftige Spannungsverläufe, Fahles und Grelles, innere und äußere Befindlichkeiten gehen ineinander über. Bernhard Rzehulka schreibt: „So bleibt nur ein entschiedenes Plädoyer für ein Werk, das direkt zu Marschner und vor allem zu Wagners ‚Lohengrin’ führt, als Komposition wie als Sujet. Denn erstmals lebt eine Oper durch den Gegensatz zweier extrem charakterisierter Paare; dem hellen Paar Euryanthe / Adolar und seinen dunklen Gegenspielern Eglantine / Lysiart. Daran wird Wagner unmittelbar anknüpfen.“
Text von Helmina de Chézy
In deutscher Sprache
Musikalische Leitung: Christoph Gedschold │ Regie und Bühne: Roland Aeschlimann │ Regie-Mitarbeit: Jan Eßinger │ Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer │ Kostüm-Mitarbeit: Anne Dehof │Choreografische Mitarbeit: Benito Marcelino│ Chor: Ulrich Wagner
Mit: Edith Haller / Christiane Libor (Euryanthe von Savoyen), Christiane Libor / Sabina Willeit (Eglantine von Puiset), Özgecan Gençer / Esen Demirci (Bertha), Lukas Schmid / Alexander de Paula (König Ludwig), Armin Kolarczyk / Stefan Stoll (Lysiart, Graf zu Forest), Bernhard Berchtold / Klaus Schneider (Adolar, Graf zu Nevers), Marcelo Angulo (Rudolph), Tina Eberhardt (Emma [Schauspielerin])
Badischer Staatsopernchor, Extrachor
Badische Staatskapelle
Weitere Vorstellung: 2.6., 20.6. und 25.6.2010