In diesem Stück zeigt sich die Entwicklung Russlands, sein Weg in die Moderne, die krassen Veränderungen, den Weg der Kleinbürger und Proletarier ins Zentrum des gesellschaftlichen Geschehens. In den vier Akten des Stückes werden noch einmal die Gespenster der Vergangenheit beschworen, aber die Bewohner des Gartens sind nicht in der Lage die Zeichen der Zeit zu sehen. Sie verharren in Schreckensstarre und die Zeit geht über sie hinweg.
Der Kirschgarten war für seine Schönheit berühmt. Er wurde sogar in einem Konversationslexikon erwähnt. Die Kirschen wurden zu einer süßen Marmelade verarbeitet, aber niemand kann sich mehr an das Rezept erinnern. Das Gut ist hoffnungslos verschuldet, seine Besitzer leben über ihre Verhältnisse. Es gäbe eine Möglichkeit, den Grund und Boden und das Haus ihrer Kindheit verkaufen, Platz machen für Neues. Aber sie hängen im nostalgischen Schmerz an diesem Ort, und dieser Schmerz paralysiert sie.
Ein neuer Typus betritt die Bühne, die Aufsteiger und Technokraten. Für sie ist dieser Kirschgarten ein Stück Land, die Bäume altes Holz und die Schönheit kein Kriterium. Man sieht nur die gute Lage, in der Nähe der Stadt. Und man kann rechnen, was das Land bringt, wenn es parzelliert wird. Hier werden Wochenenddatschen entstehen für gestresste Städter, der Stadtrand frisst sich ins Umland. Hier ist noch Geld zu machen.
Ein letztes Mal wird gefeiert, dann muss man das Haus räumen. Dann kommen die Sägen und die Abrissbirne. Am frühen Morgen verschwinden die Bewohner, es wirkt fast wie eine Flucht. Ihre Leben liegen in Scherben, die Zukunftsvision ist zerstört. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, oder was?
Regie: Johannes Lepper | Bühne: Martin Kukulies | Kostüme: Ursina Zürcher
Mit: Eva Derleder (Ljubov Andreevna Ranesvskaja), Barbara Behrendt (Anja, ihre Tochter), Annika Martens (Varja, ihre Pflegetochter), Anna-Magdalena Beetz (Dunjasa), Sabine Wegmann (Sarlotta Ivanovna), Robert Besta (Petr Sergeevic Trofimov), Jochen Neupert (Semen Panteleevic Epichodov), Jonas Riemer (Jasa), Thomas Schrimm (Boris Borisovic Simeon-Piscik), Christian Schulz (Leonid Andreevic Gaev), Hannsjörg Schuster (Firs), Jörg Seyer (Ermolaj Aleskseevic Lopachin)
Weitere Vorstellungen: 30.11., 4.12. und 10.12.2010