Nach der Untersuchung einzelner Elemente und Strategien solcher Repräsentationen des Bösen in der ersten Arbeit der BÖSE KÖRPER-Reihe geht es nun in einer Art Fortschreibung um eine konkrete Person der Zeitgeschichte: den deutschen Terroristen Andreas Baader.
Die Figur, fast schon die Ikone, Andreas Baader ist mittlerweile fest im kulturellen Gedächtnis der Deutschen verhaftet, trotz oder gerade wegen zahlreicher Überschreibungen durch kolportierte Geschichten und oft widersprüchlicher Aussagen von Gegnern und Sympathisanten. Ein kleinkrimineller Beau ohne Substanz mit Hang zur Gewalt, ein verwöhntes Muttersöhnchen, dem die Vaterfigur gefehlt hat, oder ein Mann mit allen Talenten zu einem bürgerlichen Politiker, wie einer seiner späteren
Rechtsanwälte anmerkt, oder ein Charismatiker, von dem der spätere
Generalbundesanwalt Rebmann sagte, er sei „ganz sympathisch“.
Fest steht: Andreas Baader war ein Meister der Selbstinszenierung. Diese Fähigkeit wurde zweifellos inspiriert von seinem Onkel Michael Kroecher, einem begabten und erfolgreichen Tänzer und späteren Schauspieler. Durch den Onkel, der für Baader zur wichtigsten männlichen Bezugsperson wird, erhält er nicht nur Einblick in das Leben eines schwulen Künstlers, sondern lernt sicher auch so praktische Dinge wie das Benutzen von Kajalstift und anderer Kosmetika kennen. Seine spätere Angewohnheit, sich selbst im Gefängnis zu pudern und zu schminken oder seine Vorliebe für maßgeschneiderte Kleidung (sogar seine Anstaltskleidung lässt sich Baader anpassen), mag hier seinen Anfang genommen haben.
Die Radikalisierung Baaders beginnt mit einem gewissen Hang zur Selbstdarstellung und dem Impuls, seinen Körper im „Interesse dieses narzisstischen Bedürfnisses einzusetzen – als Objekt der Bewunderung und des Begehrens, aber auch als Medium physischer
Gewalt.“ (J. Herrmann)
Die Instrumentarisierung des Körpers zum ausführenden Werkzeug intellektueller Vorgaben, als „heiligste Waffe“ des Revolutionärs, führt Baader dann fort in den Strategien der Nahrungsverweigerung, einer beispiellosen Verwahrlosung in den Hafträumen, in der Kampagne gegen „Isolationsfolter“ bis hin zur provozierten Deutung des Selbstmords als „Murder Action“. Und es gelingt ihm so nicht nur, die Inhaftierten zu vereinen, sondern er aktiviert auch zahlreiche neue Kader für die RAF, um seinen Kampf fortzusetzen.
Diese radikale Hinwendung zum eigenen Körper, das strategische Einsetzen des Körpers in den diversen Selbstinszenierungen sogar über das eigene physische Ende hinaus macht die Person Baaders für eine tänzerische Annäherung interessant. Ein böser Körper?
Tanz: Martin Hansen
Konzept: Christoph Winkler
Licht: André Schulz
Produktionsdramaturgie: ehrliche arbeit – Freies Kulturbüro
Eine Produktion von Christoph Winkler in Kooperation mit dem Ballhaus Ost.
Gefördert durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten. Mit freundlicher Unterstützung von phase7.
Vorstellungen: 17. & 18. Juni, 01. & 02. Juli, jeweils 20.00h
Ort: Ballhaus Ost /// Pappelallee 15 /// 10437 Berlin
Tickets: 030 47 99 74 74 oder www.ballhausost.de Preise: € 13 / erm. 8€
Weitere Informationen unter: www.christoph-winkler.info