Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschickten Familien des gehobenen europäischen Bürgertums, deren männliche Sprösslinge sich nicht nach den Gepflogenheiten richteten, diese gerne nach Amerika – aus Scham oder in der Hoffnung, dass die dortige Realität sie zur Raison bringen möge. So geschieht es auch Karl Rossmann, der von seinem Vater zu dessen Bruder nach New York expediert wird.
Doch bereits auf dem Schiff kommt es zu merkwürdigen Begegnungen, und Rossmann gerät in ständig wechselnden Situationen an rätselhafte Leute: Vom Onkel zu dessen Freund Pollunder gesandt, fällt er erst in die Hände von Herrn Green, dann von Delamarche und Robinson, die seine Gefährten sein wollen, ihn aber nur verraten und betrügen; als er sich in ein Hotel rettet, wird er vom Liftboy zum
Privatsklaven einer verrückten Opernsängerin, bis er auf einmal im «grossen Theater von Oklahoma» landet.
Amerika (Der Verschollene) ist der unvollendete und erste der drei Romane Kafkas. Er war stark vom damals immer populärer werdenden Kino beeinflusst und nutzte dessen Bewegungs- und Wahrnehmungsbilder besonders für sein Romanfragment Der Verschollene. Die Räume Rossmanns fliessen buchstäblich ineinander über, in filmischer Schnitttechnik wechseln Erzählbilder einander ab.
Erstmals am Konzert Theater Bern nimmt sich Regisseur Ueli Jäggi dieser grotesken Odyssee eines zwischen sozialen Skurrilitäten und maschineller Beschleunigung langsam verschollen gehenden Menschen an.
Ueli Jäggi
Geboren in Olten. Nach einem Studium der Germanistik, Romanistik und Geschichte besuchte er die Schauspiel-Akademie in Zürich. Seine ersten Engagements hatte er am Theater der Jugend in München und am Nürnberger Schauspielhaus. Es folgten das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg und die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. In den 90er Jahren spielte er am Theater Basel, wo er Christoph Marthaler kennenlernte, mit dem ihn seitdem eine regelmässige Zusammenarbeit verbindet, zuletzt für die Produktionen +-0, die 2011 in der grönländischen Hauptstadt Nuuk entstand, sowie Das Weisse vom Ei und Isoldes Abendbrot am Theater Basel, Glaube Liebe Hoffnung an der Volksbühne
Berlin und Schauspielhaus Hamburg. Von 2000 bis 2004 gehörte er fest zum Ensemble des von Christoph Marthaler geleiteten Schauspielhaus Zürich, wo er u. a. in Frank Castorfs Inszenierung von
Döblins Berlin Alexanderplatz zu sehen war.
2001 wurde er zum Schauspieler des Jahres gewählt und erhielt 2004 und 2006 den Deutschen Hörbuchpreis für seine Lesungen von Melvilles Bartleby der Schreiber und Gogols Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen. Seit 2008 spricht er den Kriminaloberrat Xaver Finkbeiner im SWR-RadioTatort der ARD. Ueli Jäggi ist in verschiedenen Fernseh- und Kinoproduktionen zu sehen, z.B. in Grounding: The Last Day of Swissair (2006, Regie: Michael Steiner), Marmorera (2006, Regie: Markus Fischer), Sennentuntschi (2009, Regie: Michael Steiner) und im neuen Tatort Schmutziger Donnerstag (2012, Regie: Dani Levy) und DER KREIS von Stefan Haupt, AKTE GRÜNINGER von Alain Gsponer und dem neuen Werk von Fredi Murer LIEBE UND ZUFALL. Seit 2000 steht er als Dr. Aurino in Commissario Brunetti vor der Kamera.
Seit 2004 ist er freischaffend tätig als Schauspieler und Regisseur. Am Luzerner Theater inszenierte er die schweizerdeutsche Fassung von Das Ende vom Anfang von Sean O’Casey, Friedrich Dürrenmatts Das Versprechen, Der Gehülfe nach dem Roman von Robert Walser und In Amrains Welt. Auf der
Suche nach der wiedergefundenen Zeit nach Texten von Gerhard Meier und Tschechows Onkel Wanja.
Regie Ueli Jäggi
BühneWerner Hutterli
Kostüme Gerti Rindler-Schantl
Musik Martin Schütz
Video Lisa Böffgen
Dramaturgie Sophie-Thérèse Krempl
Karl Rossmann Philippe Graber
Heizer / Herr Green / Oberkellner / Student Nico Delpy
Onkel / Oberportier Jürg Wisbach
Kapitän / Herr Pollunder / Robinson Jonathan Loosli
Schubal / Mack / Delamarche Gabriel Schneider
Kassierer / Klara / Therese / Chauffeur Mariananda Schempp
Alter Diener / Oberköchin / Eine Frau / Brunelda Milva Stark
Kellner / Giacomo / Polizist Statisterie
Weitere Vorstellungen 22.*, 28., 31. Dez
2016 | 08., 15. Jan | 01. Feb | 09. Mrz | 01., 30. Apr | 12. Mai 2017 | * Einführung
30 Min vor der Vorstellung