Programm
Sechs junge Autoren treffen auf sechs junge Regisseure, die mit dem Ensemble der Münchner Kammerspiele, mit wenig Zeit und viel Phantasie szenische Skizzen produzieren: zum dritten Mal lassen die Kammerspiele ihren Blick über die europäische Schreiblandschaft schweifen, um Theatertexte junger Autoren aus Deutschland, Italien und England in szenischen Lesungen und Kurz-Inszenierungen zu präsentieren. Regisseure wie Christian Stückl, Christiane Pohle, und Laurent Chétouane werden Patenschaften für die Stücke übernehmen und sich mit den jungen AutorInnen in Arbeitsgesprächen austauschen. Zu Gast mit Lesungen aus ihren neuen Texten sind Feridun Zaimoglu, Dea Loher, Händl Klaus, Enda Walsh und die Entdeckung des letztjährigen Dramatikerwochenendes und "Nachwuchsdramatikerin des Jahres" Anja Hilling.
Persönlichkeiten aus unterschiedlichen kulturellen Bereichen begleiten kritisch das Wochenende: Der Theologe und Religionswissenschaftler Friedrich Wilhelm Graf und Filmregisseur Florian Gallenberger werden am Ende der zwei Tage mit den Autoren und dem Publikum über Bürgerkriegsszenarien, Terrorängste, Familienkrisen und Sinnsuche diskutieren.
Am Donnerstag startet die erste Autorenwerkstatt der Spielzeit, unsere Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur.
Das ganz lange Dramatikerwochenende wird am Freitag eine Lesung der besonderen Art krönen: sechs Autoren schreiben kollektiv ein Drama - im literarischen Staffellauf; der Stift wird weitergereicht. In Zusammenarbeit mit jetzt.de haben wir zwei schreibbegeisterte LeserInnen, zwei der eingeladenen Jungautoren sowie Feridun Zaimoglu und Enda Walsh gebeten, eine Geschichte gemeinsam weiter zu spinnen.
Den literarischen Abschluß des Samstagabends bilden die geheimen schriftstellerischen Leidenschaften aller Autoren: im großen Schlußtableau verraten alle überraschende Neigungen. Und dann wird gefeiert!
Einen Zeitplan mit Programmüberblick erhalten Sie an der Abendkasse.
Autorenlesungen:
Händl Klaus: Geboren 1969 in Tirol. Lebt als Schauspieler und Schriftsteller in Wien, Berlin und Biel. Für seinen Erzählband "Legenden" erhielt er den Robert Walser Preis und den Rauriser Literaturpreis. "Wilde oder der Mann mit den traurigen Augen", auch an den Münchner Kammerspielen zu sehen, wurde zum Berliner Theatertreffen und den Mülheimer Theatertagen eingeladen, Theater heute wählte ihn zum Nachwuchsautor 2004. In dieser Spielzeit kommt das Auftragswerk der Kammerspiele "Dunkel lockende Welt" zur Uraufführung.
Anja Hilling: Geboren 1975 in Lingen / Ems. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik in München und Berlin studiert sie Szenisches Schreiben an der UdK Berlin. Ihr zweites Stück "Mein junges idiotisches Herz" wurde beim letztjährigen Wochenende der jungen Dramatiker in einer Lesung und später als Werkstattinszenierung an den Münchner Kammerspielen vorgestellt, die zu den Mülheimer Theatertagen 2005 eingeladen wurde. Theater heute kürte sie zur Nachwuchsautorin 2005. "Monsun", ihr neues Stück, wird ab Januar 2006 an den Kammerspielen zu sehen sein.
Dea Loher: Geboren 1964 in Traunstein. Studierte Germanistik und Philosophie in München und Szenisches Schreiben in Berlin unter der Leitung von Heiner Müller. 1991 kam ihr erstes Stück zur Uraufführung. Seither gehört sie zu den meistgespielten jüngeren Theaterautorinnen. Sie erhielt u.a. den Playwrights Award des Royal Court Theatre und zweimal den Mülheimer Dramatikerpreis. An den Münchner Kammerspielen war "Klaras Verhältnisse" zu sehen. Sie schreibt an einem neuen Monolog, den Andreas Kriegenburg mit Wiebke Puls inszenieren wird.
Feridun Zaimoglu: Geboren 1964 in Bolu, Türkei. Wuchs in Berlin und München auf, studierte Kunst und Medizin, lebt und arbeitet heute als Schriftsteller in Kiel. Mit seinen Büchern "Kanak Sprak", "Koppstoff", "Abschaum" und "German Amok" wirft er einen provozierenden Blick auf Migrantenkultur und die deutsche Mainstreamgesellschaft. 2002 erhielt er den Hebbel-Preis, 2003 den Preis der Jury beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und 2004 den Adelbert-von-Chamisso-Preis. Für die Münchner Kammerspiele schrieb er mit Günter Senkel Neufassungen von Shakespeares "Othello" und "Lulu Live" nach Motiven von Wedekind.
Juliane Kann "Blutiges Heimat" | Lesung
Regie: Esther Hattenbach, Kostüme: Nadine Grellinger
Mit: Angelika Fink, Walter Hess, Monika Knoblauch, Christoph Luser, Wolfgang Pregler, Undine Schmiedl, August Schmölzer, Daphne Wagner
Der Besitzer eines Schweinemastbetriebs hält alle Menschen um sich herum in Abhängigkeit - materiell, sexuell, psychisch. Nur eine ehemalige Prostituierte und ihre Tochter lassen sich nicht vereinnahmen in dieses System aus Unterdrückung und dumpfer Begierde. Neid, Eifersucht und blutiger Haß führen unweigerlich zu Mord und Totschlag. Kanns kunstvoll gewobenes Sprachstück ist ein System aus kruden Worten und falscher Grammatik, das die Abgeschlossenheit und das Inzestuöse der dargestellten Welt bereits im Gestus des Sprechens in sich trägt.
Juliane Kann: Geboren 1982 in Mecklenburg. Studiert seit 2004 Szenisches Schreiben an der UdK, Berlin. 2004 Publikumspreis Hans Otto Theater, Potsdam für den Monolog "Zwiegespräch".
Lesungen "Blutiges Heimat": Stückemarkt des Berliner Theatertreffens; Prosanova-Festival Hildesheim. UA: Frühjahr 06 am Maxim Gorki Theater, Berlin geplant.
Christopher Kloeble "Wenn möglich bitte wenden"
Regie: Sandra Schüddekopf, Bühne: Judith Oswald, Kostüme: Imke Schlegel
Mit: Caroline Ebner, Stefan Merki, Nathalie Schott, Stephan Zinner
Noch bevor er ihr den Seitensprung gestehen konnte, stirbt Karls Frau Susan bei einem Autounfall. Allein, mit dem unerfüllten Wunsch nach Beichte macht sich Karl auf den Weg - das GPS seines Autos weist ihm die Richtung. Auf diesem Trip in den wilden Osten begleitet ihn nicht nur seine tote Frau, bei seiner Suche nach sich begegnet er auch dem verführerischen Mädchen Grete, einem eigenwilligen Tankwart und einem mysteriösen Bettler. Das Ende des Weges scheint eine Sackgasse zu sein, die aber auch immer eine Wendemöglichkeit ist…
Christopher Kloeble: 1982 in München geboren. Ausbildung bei den Tölzer Sängerknaben. Studiert seit 2003 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2004 Stadtschreiber der Stadt Ranis mit Literaturstipendium, Gewinner des Schreibwettbewerbs des Leipziger Literaturbüros. Diverse Kurzgeschichten in Anthologien.
Simone Kucher "silent song"*
Regie: Johannes von Matuschka, Bühne: Marie Holzer, Kostüme: Eva Martin
Mit: Anna Böger, Robert Dölle, Heiko Ruprecht, Henriette Schmidt
Warum passiert das gerade mir... Wäre ich heute nicht hier gewesen -sind vielleicht die letzten Gedanken, die Attentatsopfern durch den Kopf gehen. Das Denken der Angehörigen zumindest ist von ihnen bestimmt, so wie das von Albert, dessen Freundin unter den Toten ist. Ihre Stimme ist noch auf seiner Mailbox, von jenem Morgen, als sie ihn im Bett zurückließ. Alle Opfer sind aus ihrem Alltag gerissen worden, alle hatten Angehörige - Simone Kucher unternimmt den gewagten Versuch, den Traumata und Erfahrungen von Terroropfern nachzuspüren.
Simone Kucher: 1973 in Ellwangen (Ostalbkreis) geboren. Studierte Theaterwissenschaft in München und Berlin. Assistenzen und Praktika an diversen Theatern, Dramatikerworkshops bei Werner Fritsch, Albert Ostermaier und Gisela von Wysocki. Zwei weitere Stücke wurden bisher in Lesungen in Berlin und Tübingen vorgestellt.
Melanie Peter "Boden.Haltung" | Lesung
Regie: Christiane J. Schneider, Bühne und Kostüme: Judith Oswald
Mit: Victoria Mayer
Eine Frau ist mit ihren Freundinnen verabredet. Vom Handy-Vertrag über den neuen Job bis zur ersehnten Brust-OP soll alles besprochen werden, verlacht, gefeiert. Aber diesmal kommt es anders: Manu wird in ihren Vorbereitungen gestört. Ihre große Liebe Hannes meldet sich nach fünfzehn Jahren wieder. Im Erinnerungsstrom erlebt sie ihre Liebe noch einmal, die über die deutsch-deutsche Grenze hinweg bestand und mit dem Fall der Mauer zu Ende ging. Ein bewegender Monolog. Ungekünstelt und heutig.
Melanie Peter: Geb. 1972 in Alsfeld (Hessen). Studierte Kulturwissenschaften in Hildesheim, Utrecht und York. War Regieassistentin, Regisseurin und Dramaturgin in Braunschweig und Halle. Seit 2005 freie Autorin mit Arbeitsstipendium des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt. Mutter einer Tochter. Veröffentlichte Kinder- und Jugendtheaterstücke sowie ein Kinderbuch.
Clare Pollard Das Wetter"
Regie: Tobias Bühlmann, Bühne: Judith Oswald, Kostüme: Eva Martin
Mit: Veronika Avraham, Ismail Deniz, Michael Tregor, Julia Wieninger, Rena Zednikova
Schnee, Hitze, Stürme. Das Wetter spielt verrückt. Und tobt mit dem Terrorismus um die Wette, draußen. Drinnen ist Ellie, fünfzehn und wütend. Auf Gail, ihre verzweifelt exzentrische Mutter, auf Bob, ihren Vater, der nichts als harte Tage hinter sich bringt, trotzdem seinen Job verliert und vor seiner Frau kapituliert. Pollard entwirft ein ins Groteske übersteigertes Szenario, in dem die Familie zum Spielball der ökonomisch politischen Großwetterlage wird, die sich auf gespenstische Weise mit den privaten Strukturen verschränkt.
Clare Pollard: Geb. 1978 in Bolton, England. Studierte in Cambridge und veröffentlichte 1998 ihre erste Gedichtsammlung "The Heavy Petting Zoo". Nach einem Stipendium in Peking Projekte mit dem British Council sowie mehrere Dokumentarfilme. "Das Wetter" wurde am Royal Court Theatre uraufgeführt. Lebt und arbeitet als Hrsg. der Lyrikzeitschrift "Reactions" in London und schreibt an einem neuen Gedichtband.
Letizia Russo "Hundegrab"
Regie: Christiane Pohle, Bühne & Kostüme: Annette Haunschild
*Mit:* Matthias Bundschuh, Martin Butzke, Jean-Pierre Cornu, René Dumont, Katja Kolm, Monika Manz
Der Krieg scheint so gut wie vorbei, doch er hat sich eingefressen in die Menschen und beherrscht ihr Denken und Fühlen. Die alte Glauke hat sich in Trauer um ihre geschändete Tochter die Augen ausgestochen und ihren Sohn Johnny an sich gebunden. Johnny liebt Mània, sie erwarten ein Kind. Doch Mànias Mann, im Krieg gefallen, steht plötzlich vor der Tür. Und nimmt Rache. In einem unzeitgemäßen, parabelhaften Stück zeigt Russo Figuren, die verlernt haben, ohne Krieg zu leben. Und ist darin zeitlos aktuell.
Letizia Russo: 1980 in Rom geboren. Begann das szenische Schreiben 1998 im Kontext eines Schulwettbewerbs. Dem daraus entstandenen Stück Nichts und Niemand folgte 2001 Hundegrab, mit einem renommierten italienischen Theaterpreis ausgezeichnet. 2002 Einladung des Royal Court Theatre in London zum International Residency for Playwrights. Lebt und arbeitet als freie Autorin und Kulturbericht
erstatterin in Rom.
Eintrittspreis für 1 Tag: 9,- € / ermäßigt 5,- €
Paketpreis für 2 Tage: 15,- € / ermäßigt 7,- €
Autorenwerkstatt: 12,- € / ermäßigt 6,- €
Vorstellungsbeginn: jeweils 18 Uhr
Freie Platzwahl
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