"Lampedusa"
von Henning Mankell
Deutsch von Hansjörg Betschart
Deutschsprachige Erstaufführung
»Die größten Gegensätze, die es heute gibt, liegen zwischen dem, was die Menschen denken, und dem, was sie sagen.« LAMPEDUSA
Ein Fernsehstudio in Hamburg. Anna, eine junge, aufstrebende Moderatorin bereitet mit ihrem Talkgast Titania die Sendung vor. Der Aufhänger der Show: Titania – als Kind aus Sambia geflüchtet – ist gläubige Muslimin und lesbisch. Anna, immer die Quote im Auge, will anhand dieses Widerspruchs die Scheinheiligkeit von Titanias Glauben aufdecken und dabei die Gewalt- und Unterdrückungsmechanismen des Islam zeigen. Titania bietet ihr bereitwillig Angriffspunkte. Gleichzeitig aber ist sie selbstbewusst, gebildet, westlich gekleidet und äußerlich integriert. Annas Absichten durchschauend lockt sie diese, spielt mit Klischees, die sie selbst gleich widerlegt, ihre Intelligenz und Aufgeklärtheit demonstrierend. Die zwei Frauen verkeilen sich ineinander, nicht an Wahrheit interessiert sondern daran, den anderen auf die Matte zu zwingen. Das Vorbereitungsgespräch wird zum offenen Kampf, der in seiner Hysterie und Überdrehtheit zum Slapstick, zur Satire wird.
»Lampedusa« geht aber darüber hinaus. Mankell gibt seine Figuren nicht der Lächerlichkeit preis, sondern nimmt sie in ihrer Verschiedenheit ernst und verurteilt sie nicht. Er beschreibt die Angst, in sich selbst hineinzusehen, in sich selbst hineinzuhören, ob da noch Wahrheit wohnt. Er lässt seine Figuren Kluges und Schönes sagen, Dummes und Verletzendes, einander mal verstehen und manches mal eben nicht. Er zeigt ganz einfach Menschen, die versuchen sich selbst und die Welt zu begreifen.
Dominique Schnizer, junger Grazer Regisseur, wird „Lampedusa“ erstmals in deutscher Sprache für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg in Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen in Szene setzen.
"Bowling Alone"
von Oliver Bukowski
Jenny, jenseits der 70, wohnt bei Jessica, diesseits der 40, zur illegalen Untermiete. Beide hat das Schicksal aufs gleiche Abstellgleis geschoben, was ihre Zuneigung füreinander nicht eben befördert. In der »Pension« genannten Zuflucht beschnüffeln und belauern sich die beiden nun, um gegenseitig am Putz verlogener Selbstinszenierungen herumzukratzen. Die Rollen sind klar verteilt: Jenny, seit einiger Zeit verwitwet, will so umsorgt wie unbehelligt sein auf ihrem Altenteil, weshalb sie ihre Vergangenheit in einen Koffer unters Bett verbannt hat. Doch ihre »Wirtin« Jessica, talentiert, arbeitslos und einem Nichts von Mann verfallen, kann ja nicht mal für sich selber sorgen. Die personifizierte Provokation, dieses Mädchen – befindet Jenny – ganz wie damals ihre Tochter Helga, bevor sie den Eltern aus dem fünften Stock vor die Füße in den Tod sprang. Beim wechselseitigen Schürfen in den Wunden ihrer Biographien lernen wir die beiden Frauen kennen und sind Augenzeugen einer heftig tobenden Generationendebatte.
Wie immer bei Oliver Bukowski liegen Tragik und Komik ganz eng beieinander und aus bissigen Dialogduellen und schwarzen Pointengewittern schlägt am Ende vielleicht sogar ein Fünkchen Hoffnung.