Nun möchte man an die Vergangenheit anknüpfen. Doch was als fröhliches Cliquen-Revival gedacht war, entpuppt sich als krampfhafter Versuch, den Faden wieder aufzunehmen, der längst gerissen ist. Selbstquälerei, da sich die hohen Erwartungen ans Leben nicht erfüllt haben, und Scham ob der verpassten Chancen überwuchern jede Empathie mit den anderen. Jeder zieht für sich bereits ‚Lebensbilanz’, denkt, dass die Zeit für eine Verwirklichung seiner Hoffnungen und Sehnsüchte aus der Jugendzeit längst abgelaufen und der flache Zenit der Liebes- und Berufskarrieren bereits überschritten ist – vermeintlich ganz im Gegenteil zu vielen Altersgenossen.
So weicht bei dem Wiedersehen im Hotel die angespannte Aufgeregtheit schnell einer ironisch durchsetzten Tristesse. Max, der immer noch das Kräftefeld beherrscht, ist derart gefangen in seiner Torschlusspanik und den sinnlosen Selbstbespiegelungen, dass ihn die Frauen nur noch an verpasste Gelegenheiten erinnern. Die exzessive Selbstreflexion führt bei den dreien zunehmend in die Erschöpfung und eine Annäherung an den anderen ist allein mit dem Kalkül denkbar, das Leben werde ihnen ja eh nichts besseres mehr bieten. Unter dem Verdikt einer verpatzten Lebenskunst wühlt man in den Wunden, die das Leben jedem der drei zugefügt hat. An die früheren Ideale erinnert man sich vornehmlich, um sich den Verrat zu vergegenwärtigen, den man an ihnen verübt hat.
Mit wohnen. unter glas hat Palmetshofer, der zu den meistgespielten Gegenwartsautoren gehört, das Psychogramm einer Generation geschrieben – in einer einzigartigen Sprache, die die Brüchigkeit der Protagonisten wie die der ganzen Zeit zum Ausdruck bringt. Dass der Text bei dieser Vivisektion einer Generation den Humor nicht verliert, ist eine der Stärken von Ewald Palmetshofer. Er hat die Metapher vom ‚unbehausten Mensch’ zu einer Generationsanalyse ausgebaut, bei der die Wohnfrage zur Seinsfrage schlechthin wird.
Inszenierung und Bühne: Frank de Buhr
Kostüme: Svenja Göttler
Dramaturgie: Sven Kleine
Mit: Heisam Abbas, Hanna Werth, Julia Wolff
Die nächsten Vorstellungen sind am 16. und 17. November sowie am 12., 21. und 23. Dezember 2012 im Kleinen Schauspielhaus.