Sie hat für die surreale Szenerie eine der bemerkenswertesten Partituren der jüngeren Vergangenheit geschaffen; eine Kammeroper, die, vom Geist der deutschen Romantik erfüllt, dennoch nur auf diese Weise im 20. Jahrhundert geschrieben werden konnte. Im Spannungsfeld von absurder Komik und traumatischem Entsetzen wird der Zuschauer den Unsicherheiten ständiger Stimmungs- und Handlungsumschwünge ausgesetzt.
„Der blonde Eckbert“ ist ein Rätsel ohne Lösung, eine Frage ohne Antwort, ein labyrinthisches Kaleidoskop menschlicher Nöte, dem auf visueller Ebene sicher M.C. Escher Pate stehen darf. Ludwig Tieck, der ironischerweise in England vor allem als Übersetzer des großen Metaphysikers William Shakespeare bekannt ist, schrieb mit seinem Kunstmärchen ein Juwel deutscher Frühromantik, das 1797 erstmals veröffentlicht wurde. Es ist eine jener Geschichten, die auch über zweihundert Jahre nach der Entstehung nichts an ihrer Wirkung und ihrer Gültigkeit eingebüßt haben. Es ist eine psychologische Entdeckungsreise zwischen Traum und Albtraum, Horrorgeschichte und paranoider Fantasie - eine Ode an das Übersinnliche, das Außerirdische, das Unerklärbare. So bald man glaubt, diese Geschichte durchschaut zu haben, befindet man sich längst schon wieder an deren Ausgangspunkt.
Die Sünden der Väter werden heimgesucht an ihren Kindern. Dieser Schicksalsgedanke, dieses Motiv christlicher Erbsünde ist der moralphilosophische Überbau der Erzählung. Die beiden Protagonisten Berthe und Eckbert tragen die Konsequenzen für Fehler, die sie selbst nicht begangen haben - es gibt kein Richtiges im Falschen... Berthe flieht aus dem familiären Grauen in die Freiheit der Waldeinsamkeit, doch ihr Trieb, das Freudsche „es“, jagt sie weiter direkt in die Arme ihres Halbbruders Eckbert. Geschwisterliebe und Inzest – das ist die archetypische Fatalität einer Tragödie griechischen Ausmaßes. Jenseits der bürgerlichen Fassade schlummern Kräfte, die auf ihr Recht pochen. Eckbert als auch Berthe scheitern an der Tatsache, dass es universelle Kräfte gibt, die mehr zu wissen scheinen, als sie selbst. Und genau dieses Übernatürliche in Person des alten Weibes scheint kein Vergessen zu kennen. Es will Sühne und siegt über das rationale Vorstellungsvermögen der Protagonisten, treibt sie in den Wahn und Tod.
„Der blonde Eckbert“ hat das Zeug zur Oper, die Komponistin Judith Weir hat das erkannt – was für ein Glück. Ihre Vertonung gibt der Imagination des Zuhörers eine Route vor, auf der sie ihren ganz persönlichen Weg gehen kann. Die Inszenierung wird naturgemäß bestimmt sein durch meine Fantasie. Was uns beide mit Tieck verbindet, ist, dass wir Geschichten nicht widerstehen können. Sie zu erzählen ist Kommunikation. Nähern Sie sich mit uns dem „Blonden Eckbert“. Vielleicht bekommen Sie Lust, sich ihm dann auch in aller Stille zu widmen; allein aber nicht einsam. Das Irrationale zu akzeptieren und nicht daran zu scheitern, das ist die grosse Einladung von Ludwig Tieck."
(Fanny Brunner)
Musikalische Leitung: Daniel Hoyem-Cavazza
Inszenierung: Fanny Brunner
Ausstattung: Thomas Goerge
Licht: Lukas Kaltenbäck
Eckbert: Matthias Helm
Berthe: Anna Clare Hauf
Walther / Hugo / die Alte: Emilio Pons
Ein Vogel: Romana Beutel
Ein Hund: Jonny Kreuter
Weitere Vorstellungen:
23., 26., 28. Februar 2008
1., 4., 6., 8., 11., 13., 15., 18. März 2008
Wiener Kammeroper
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