
Der in der Nähe von Hamburg geborene Hasse war Tenor, wurde im Jahre 1718 an die Hamburger Oper am Gänsemarkt engagiert. In den Folgejahren begann er zu komponieren. 1721 wurde sein erstes Bühnenwerk "Antioco" in Braunschweig aufgeführt. 1722 ließ er sich in Neapel nieder, wo er von Nicola Porpora unterrichtet wurde. Fortan war Johann Adolph Hasse ein Meister stimmlicher Virtuosität und üppiger Chromatik. Hasse lernte nicht nur den berühmten Kastraten Farinelli, sondern auch die legendäre Sängerin Faustina Bordoni kennen, die er 1730 heiratete. Seine Karriere führte ihn durch ganz Europa.
Der andere große Meister der Opera seria war Georg Friedrich Händel, der den größten Teil seines Lebens in London verbrachte und schließlich sogar die englische Nationalität annahm. Wie Hasse hatte auch Händel Berührung mit der Hamburger Oper, für die er im Alter von neunzehn Jahren seine erste Opernpartitur "Almira" im Jahre 1705 schrieb. Die süafrikanische Sängerin Megan Kahts widmet sich hier einem der einst berühmtesten Kastraten, Giovanni Carestini, sowie der eben schon erwähnten Diva Faustina Bordoni. Herausgekommen ist dabei ein wahres Feuerwerk sprühender Arabesken und Kaskaden, wobei sie vom fulminant musizierenden Orchester der Wiener Akademie unter der inspirierenden Leitung von Jeremy Joseph begleitet wird. Gleich zu Beginn ist mit "Dopo notte" eine der bekanntesten Arien Händels aus dessen Oper "Ariodante" zu hören, die er für Carestini schrieb. Tief empfundene Emotionen werden dabei stimmungsvoll zum Ausdruck gebracht, was Megan Kahts überzeugend gelingt. Schwungvolle Koloraturen und aufsteigende Melodielinien werden souverän betont. Diese Arie erklingt im dritten Akt, nachdem Ariodante schwere Prüfungen und Missverständnisse durchlebt hat, die seine Beziehung zur schottischen Königstochter Ginevra in Gefahr brachten.
Die Arie "Tempesta e calma" aus der Oper "Alessandro" schrieb Georg Friedrich Händel für Faustina Bordoni, die Zeitzeugen zufolge eine durchdringende Stimme mit gut entwickeltem Tremolo besaß. Es handelt sich hier um die dekorative und elegische Arie der Prinzessin Rossane, die auf der Septime der Tonleiter beginnt. Aus Johann Adolf Hasses Oper "Arminio" singt Megan Kahts die Arie "Ti lascio in ceppi avvinto" mit leidenschaftlichem Gefühlsausdruck. Besonders gelungen ist bei dieser Einspielung Händels Arie "Scherza infida in grembo al drudo" aus "Ariodante", die der Trauer des Titelhelden ob der vermeintlichen Untreue seiner Braut Ausdruck gibt. Gedämpfte Violinen und Pizzicato-Bässe über klagenden langen Noten im Fagott begleiten dabei den ausdrucksvollen Gesang der Mezzosopranistin. Händel schrieb diese Arie für Giovanni Carestini.
Ebenfalls für Carestini komponierte Johann Adolf Hasse die Arie "Vo disperato" ("Ich gehe verzweifelt") aus der Oper "Tito Vespasiano". Sesto verleiht hier seiner Zerrissenheit aufgrund der schwerwiegenden Folgen seines Verrats Ausdruck. Und Megan Kahts macht die dramatischen Intervallsprünge in ergreifender Weise deutlich. Die Titelrolle in Hasses "Cleofide" wurde von Faustina Bordoni gesungen, die Hasse wenig später heiratete. Auch hier handelt es sich um eine mustergültige Opera seria, was Megan Kahts mit ebenmäßigem Timbre sehr gut verdeutlicht.
Für Bordoni schrieb auch Händel die Arie "Quanto e felice quell' augelletto" aus seiner Oper "Tolomeo", die er als seine letzte Oper für die Royal Academy of Music in London komponierte. Hintergrund ist der Streit zwischen Kleopatra III. und ihrem jüngeren Sohn Ptolemaios X. Alexander I. (Tolomeo). Megan Kahts macht die dramatischen Affekte zusammen mit dem Orchester passend deutlich. Und für Carestini schrieb Händel schließlich die Arie "Mi lusinga il dolce affetto" aus "Alcina", bei der es sich um eine böse Zauberin handelt, die überraschend verletzlich wirkt. Dies spürt man auch bei den gefühlvollen Melodien dieser Arie, deren reiche Ausdrucksmöglichkeiten fesselnd zu Gehör kommen. Die Wahl-Wienerin Megan Kahts verleiht dieser Musik erfrischend-elektrisierende Lebendigkeit und inneres Feuer! Man kann diese interessante Einspielung sehr empfehlen.
ALEXANDER WALTHER


















