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Verlorenes ParadiesVerlorenes ParadiesVerlorenes Paradies

Verlorenes Paradies

"PARA_dise ...a woman...?" von Bundo Kanduang im Tanzhaus NRW, Düsseldorf

Wolken ziehen auf einem Videoscreen, der in 8 x 9 Felder gerastert ist und den ganzen Bühnenhintergrund ausfüllt, im Großformat vorüber. Zikaden zirpen, dazu ertönt ruhige Klaviermusik unterbrochen durch den wiederkehrenden Ton einer hell anschlagenden Klingel. Eine meditative Stimmung breitet sich aus. Dann ziehen die Wolken immer schneller, das Bild verdichtet sich und zoomt sich auf den blauen Planeten, die Erde, ein. Auf dem Boden erscheint eine Lichtkugel, die von einer aus einem Teekessel Wasser gießenden Tänzerin langsam umkreist wird. Ein Ritual, Mutter Erde wird genährt.

In "PARA_dise ...a woman...?", einer niederländisch-indonesischen Koproduktion, die am 7.12. und 8.12.07 im Tanzhaus NRW zu sehen war, finden sich poetische Bilder, die wohl allen Menschen deutbar sind, neben Bildern, die sich an indonesischen Mythen orientieren. Erzählt wird von Bundo Kanduang, einer archaischen Mutterfigur, die in den Mythen der Minangkabau in West Sumatra, einer der letzten bestehenden matriarchalischen Gesellschaften, verehrt wird. Anfangs wird eine harmonische Welt im Einklang mit der Natur (u.a. wunderbar getanzte Krabbeltiere!) beschworen, der Jahresablauf mit Arbeit und Festen thematisiert, ganz allmählich hält aber auch in diese archaisch geprägte Idylle die Moderne ihren Einzug. Die Bewegungsabfolgen werden immer schneller, die Musik, unterlegt mit Maschinengeräuschen, moderner.

Unter der gemeinsamen Choreographie von Gerard Mosterd und Boi G Sakti ist "PARA_dise ...a woman...?", ein Ensemblestück für sieben Tänzer, mit einer ganz eigenen Bildsprache entstanden. Bewegungsabfolgen, die sich aus dem klassischen indonesischen Tanzrepertoire speisen, werden kombiniert mit denen einer indonesischen Kampfsportart, ähnlich dem Kung Fu oder TaiChi, und Bewegungsmustern des modernen Tanztheaters. In Bildern, die zugleich poetisch und kraftvoll sind, wird nicht nur die allmähliche Auflösung einer letzten matriarchalisch geprägten Gesellschaftsform thematisiert, sondern auch auf die profitorientierte globale Zerstörung der Natur und die Entfremdung von ihr hingewiesen. Großartig getanzt, faszinierend und bezaubernd zugleich - man hätte sich gewünscht, dass 60 Minuten nicht so schnell zu Ende sind.

Konzept, Choreografie: Gerard Mosterd, Boi G Sakti

Tanz: Davit, Mislam, Verawaty, Eka, Masako Ono, Amaranta Velarde Gonzalez, Leonor Carneiro

Assistenz: Karolien de Pauw, Andreas Jacobs

Video-, Bühnen-, Kostümdesign: Wilhelmusvlug

Musik: Leon DeLorenzo, Dony Irawan, Paul Goodman

Licht: Boi G Sakti, Sonny Soemarsono, Ignatius Sugiarto, Gerard Mosterd.

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