Triviale Alltagssorgen, nackte Existenzangst und Leistungsdruck. Die Euro-Krise, der Krieg in Afghanistan, Stuttgart 21. Globale Erschütterungen hallen auf lokaler Ebene wider, Privates und Politisches vermischen sich, bis Unterschiede kaum mehr auszumachen sind. In „Radikale“ verzichtet die Autorin Ulrike Syha erstmals auf eine durchgehende Handlung und klar konturierte Charaktere. Einzelstimmen, Dialogfetzen und innere Monologe werden hörbar und verdichten sich zur „Symphonie einer Großstadt“, die eine aus dem Takt geratene Gesellschaft zeigt, in der gleich mehrere Zeitbomben ticken.
Ulrike Syhas Text zeigt eine Welt, in der zunehmende Radikalisierungstendenzen zur Normalität gehören. Die Frau im Stadtwald, mit der Waffe in der Hand; der Mann, der lieber in Afghanistan wäre als in der Werbung zu arbeiten; der übergewichtige Journalist, der das eigene Leben von anderen leben lässt; ein einsamer Student der Zahnmedizin, der seine Zukunft nicht sehen kann – sie sind nur einige der Figuren, die durch Ulrike Syhas Text aufscheinen. Sie mäandern durch eine Welt, die ihnen zuwider ist. Ihre unerträgliche Gegenwart setzt hochreaktive Prozesse frei. Und in Menschenansammlungen entzünden sich, freien Radikalen gleich, chemische Reaktionen, aggressive Energien, die wie eine Ansteckung durch die Menge zucken. Freien Radikalen fehlt etwas. Sie nähern sich anderen, „heilen“ Stoffen an, um sich ihrer parasitär zu bedienen. Ein Ganzes, ein Gesundes wollen sie werden und machen damit ihre Umwelt krank.
Ulrike Syha studierte Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig und war anschließend von 1999 - 2002 als Regieassistentin am Schauspiel Leipzig engagiert. 2002 nahm sie an der Schreibwerkstatt des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg teil und lebt seit Sommer 2003 als freie Bühnenautorin in Hamburg. Sie war Stipendiatin der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart und der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen und erhielt 2008 ein dreimonatiges Aufenthaltsstipendium der Deutschen Akademie Rom Casa Baldi. Im Auftrag der Theater Chemnitz schrieb Ulrike die Stücke „Privatleben“ (2008), „Fracht (Nautisches Denken I-IV)“ (2010) und „Radikale“ (2011), die jeweils im Schauspielhaus Chemnitz uraufgeführt wurden bzw. werden.
Regie: Dieter Boyer
Bühne und Kostüme: Ralph Zeger
mit: Ulrike Euen, Muriel Wenger; Tilo Krügel, Dirk Lange, Karl Sebastian Liebich, Michael Pempelforth