Es sind nicht allein Krieg und Terror, weshalb sich muslimische Geflüchtete auf den Weg nach Deutschland gemacht haben. Für manche kommt hinzu, dass sie in ihren Herkunftsländern wegen ihrer sexuellen Orientierung bedroht werden, die dort im Widerspruch zu Gesetz und Religion steht. Sie hoffen, hier mit ihrer Homo-, Bi- oder Transsexualität frei und sicher leben zu können. Doch in den Erstaufnahmen und Unterkünften ist ihr Versteckspiel noch nicht zu Ende – und in der deutschen Wirklichkeit sind sie als Minderheit in der Minderheit einer dreifachen Diskriminierung ausgesetzt. In Nürnberg und Berlin wurden nun erste Häuser speziell für lesbische, schwule, bi- und transgender-Flüchtlinge eröffnet – doch wer dort Schutz sucht, outet sich damit notgedrungen vor Familie, Freunden und Behörden.
Im Dokumentarstück von Hans-Werner Kroesinger und Regine Dura kommen Geflüchtete, Aktivisten, Behörden-Mitarbeiter, Religions- und Sexualwissenschaftler, Journalisten und Autoren verschiedenster Positionen zu Wort, von christlich-fundamentalistischen bis zu links-feministischen. Das vierköpfige Ensemble hat sich mit Kroesinger und Dura durch wissenschaftliche Arbeiten, Interviews, religiöse Texte und Handbücher gearbeitet, Tagungen und Workshops besucht und Geflüchtete getroffen. Im Zentrum stehen Gesetze, Regeln und Leitfäden unserer bürokratisch durchstrukturierten Welt. Der Abend richtet den Blick auf die Gesellschaft, in der Geflüchtete zu Neubürgern werden und befragt die Ängste und Projektionen der Willkommenskultur.
Kroesinger ist Deutschlands profiliertester Dokumentartheater-Regisseur. Seit 25 Jahren recherchiert er zusammen mit Regine Dura kontinuierlich zu gesellschaftlich und politisch brisanten Themen, vom Völkermord an den Armeniern und dem Genozid in Ruanda bis zu Frontex, der RAF und der deutschen Griechenland-Manie. Seine Inszenierung Stolpersteine Staatstheater über die Gleichschaltung des STAATSTHEATERS 1933 wurde mit einer Einladung zum BERLINER THEATERTREFFEN 2016 ausgezeichnet. Für sein neues Projekt spricht er bundesweit mit muslimischen Geflüchteten und stellt mit Schauspielern aus dem Ensemble ihre Geschichten und Forderungen, ihre Träume und Alpträume zur Diskussion.
Regie Hans-Werner Kroesinger
Textfassung Regine Dura
Bühne, Kostüme & Video Rob Moonen
Musik Jens-Uwe Beyer
Dramaturgie Jan Linders
Jakob Schumann
Theaterpädagogik Verena Lany
Mit Marthe Lola Deutschmann
Antonia Mohr
Jonathan Bruckmeier
Gunnar Schmidt