Die Neuköllner Oper erklärt: Am deutschen Musical arbeiten wir ja schon länger; ob mit dem Wunder von Neukölln und den Krötzkes Berlins Problembezirk Nummer eins seine Stimme erhebt, ob wir mit Love Bite, Babytalk und Elternabend die Generation Golf mit den passenden Songs zum Auto versorgen oder ob wir mit Cinderella passt was nicht und dem Glücklichen Prinzen musikalische Nachwuchsförderung betreiben.
Mit diesem Engagement stehen wir überraschend allein da, obwohl unsere „Erfolgsquote“ in diesem Genre angenehm hoch ist. Was sicher zum Einen daran liegt, dass wir uns mit unseren Stücken immer sehr viel Mühe geben. Zum Anderen aber belohnt uns unser Publikum auch jedes Mal wieder mit einem riesigen Interesse. Und das wiederum beweist uns, dass der Bedarf nach heutigem, aktuellem Musiktheater absolut vorhanden ist. Um so mehr wundert uns, wie selten diese aktuellen Themen anderswo den Weg auf die Musicalbühne finden.
Nachdem wir mit der Arbeit an Held Müller begonnen hatten, wurde uns allerdings selber noch einmal sehr deutlich, warum es vielleicht doch einfacher ist, historische Gestalten oder tanzende Katzen zum Singen zu bringen als den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Automobilwerke. Je konkreter man sich in der Wirklichkeit bedient, um so größer wird die Verantwortung, den „richtigen Ton“ zu finden. Und wenn in den Worten heutiger Politiker, Wirtschaftsbosse und Mediengestalten eh schon kaum ein echter Ton zu finden ist- wie bringt man solche Leute erst zum Singen?
Es hat uns einige innere Überwindung und im späteren Arbeitsverlauf viel Überzeugungsarbeit gekostet, unser Stück mit einer Nationalhymne beginnen zu lassen. Die gemäßigte Sorge, das Publikum vor den Kopf zu stoßen, die viel größere Sorge, vom falschen Ende her missverstanden zu werden - da steckt in drei Minuten Musik eigentlich schon das ganze Dilemma , mit dem man sich als deutschsprachiger Autor und Komponist herumschlägt; Musik ist hierzulande eben nicht nur mit Geräusch, sondern vor allem immer auch mit Politik verbunden. Ob es das Volkslied ist oder die böse amerikanische Unterhaltungsmusik, ob das politische Chanson oder der verlogene Zarah-Leander-Schlager; kaum eine musikalische Form ist in Deutschland nicht politisch vereinnahmt und damit diskreditiert worden.
Diese Aufladung bietet natürlich auch Möglichkeiten; dass die Fernsehfrau Sabrina van Dreesen mit machthungrigem Broadwaysound die Bühne erobert, wird bei uns sicher schneller als kleiner böser Kommentar zur Figur gelesen als in der Heimat aller Musicals. Dass es auf der anderen Seite wirklich viel Mut braucht, die Ehefrau Ingrid mit einem ernstgemeinten Berliner Lied auf die Bühne zu stellen, ohne gleich bei Zille sein Milljöh zu landen, ist eigentlich bedauerlich. Und bei Mischas „Reinhard-Mey - Hommage“ gehen die Meinungen dann schon im Ensemble auseinander, ob das noch brillant subtile Ironie oder einfach nur peinlich ist.
Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt; selten hat uns ein Stück in der Erarbeitung so viel Spaß gemacht und selten waren wir so gespannt, ob sich diese wilde Mischung von bitterböser Farce und musikalischer Echtzeitübertragung am Ende auf der Bühne erzählen wird. Und dass dabei ein wirklich böses Stück mit überraschend schöner Musik herausgekommen ist, liegt ganz einfach in der Natur der Sache: Deutschland war schon immer das Land der schönen Musik. Das hat bei uns Tradition. Genau wie die bösen Geschichten.
Die Autoren
Thomas Zaufke – Musik
stammt aus Bremen und studierte Tonmeister und Gesang an der Hochschule der Künste Berlin. Er ist als Komponist, Arrangeur und Musikalischer Leiter ebenso wie als Sänger und Darsteller tätig.
• Kompositionen:
Erwin Kannes – Trost der Frauen (Musical. NEUKÖLLNER OPER 2005), Elternabend – das Musical (NEUKÖLLNER OPER 2003),Cinderella passt was nicht (Musical. NEUKÖLLNER OPER 2001), Babytalk (Musical. NEUKÖLLNER OPER 2000), alle im Verlag LITAG Bremen; Vom Anfang der Welt (Schauspielhaus Düsseldorf 2005), Noah (Schauspielhaus Düsseldorf 2004); Der gestiefelte Straßenkater (Renaissancetheater Wien 2006), Konrad oder Das Kind aus der Konservendose (Renaissancetheater Wien 2004), Die wundersame Reise des kleinen Kröterichs (Renaissancetheater Wien 2003); Die Faxen dicke (Grips Theater 2005);, Baden geh’n – ein Sittenbild mit Musik (Grips Theater 2003); Kannst Du pfeifen, Johanna? Grips Theater 2002); Julius und die Geister (Grips Theater 2002); Songs of the simple Truth (Gewandhaus Leipzig 2004); Suhlde 2000 (Musical. Pavillon Hannover); Haus im Moor (Musical. Pavillon Hannover). Beide im Verlag Whale Songs, Hamburg.
Lieder und Chansons u.a. für Yamil Borges, Isabell Weicken, Hartwig Rudolz, Frederike Haas, Tim Fischer
• Arrangements/Musikalische Leitung:
Assassins - Attentäter (NEUKÖLLNER OPER 2002); Irmgard Knef (Kleines Theater 1999/2000); Sterntaler (SFB Benefizgala 1999 und 2000, Theater des Westens 1999); Wouldn’t You Like To Be On Broadway? (Kurt-Weill-Fest, Dessau 1999);
Thomas Zaufke on stage:
Side By Side (Duoabend mit Frederike Haas & Band. A-Trane 2000); My Fair Lady (Deutsches Theater München, 1996);
Cyrano (Theater des Westens 1994); Lost in the Stars (Soloprogramm und CD-Produktion, 1992); Seit 1998 als Gesangssynchronstimme für Disney tätig.
Peter Lund – Text
geboren in Flensburg
1985 - 1992 Studium der Architektur an der TU Berlin, Diplom
1996 - 2004 Künstlerische Leitung der Neuköllner Oper
seit 2003 Professur an der UdK/Studiengang Musical/Show
seit 1987 als Regisseur u.a.
Fledermaus (DOB, Studio, 1987), Die Gans von Kairo (NO, 1991), Cosi fan tutte (Staatstheater Braunschweig 1996), Messesschlager Gisela (NO 1998), Die Wanze (Maxim-Gorki-Theater 1999), Orpheus in der Unterwelt ( Theater Bremen 2000), Die Dollarprinzessin (Erfurt 2004). Jumping Jack (Text und Regie, Wien 2003); Dreigroschenoper (Dresden 2004);
Herz-Los! (Text und Regie, Wien 2005); Der gestiefelte Straßenkater (Text und Regie, Wien 2006).
Mit dem jeweils 3. Jahrgang des Studienganges Musical/Show in der Neuköllner Oper:
Lady be Good (Gershwin) 1997, Boys von Syracus (Rodgers) 1998, How to Succeed in Business (Loesser) 1999, Love Bites (UA/Böhmer) 2001, Assassins (Sondheim) 2002,
PanikSoundClub (UA/Ramdohr) 2003, Letterland/Erwin Kannes - Trost der Frauen (UA/Zaufke) 2005.
Als Autor
Hexe Hillary geht in die Oper UA Neuköllner Oper (1997)
mit Niclas Ramdohr:
No Sex (1991), Verraten und Verkauft (1996), die Krötzkes (2001)
mit Wolfgang Böhmer:
Das Wunder von Neukölln (1998), Der Glückliche Prinz (2000),
Sommer Nacht Traum (2000), Jumping Jack (2003), Herzlos(2005)
mit Thomas Zaufke:
Babytalk (2000), Cinderella passt was nicht (2001), Elternabend (2003), Der gestiefelte Straßenkater (2006)
Inszenierung Bernd Mottl
Musikalische Leitung Hans-Peter Kirchberg / Tobias Bartholmeß
Choreographie Götz Hellriegel
Bühnenbild Jürgen Kirner
Kostümbild Nicole von Graevenitz
Ensemble
Heidlinde Waghausen Franziska Becker
Ingrid Müller Dagmar Biener
Hinrichsen u.a. Marco Billep
Friedemann von Tilsit u.a. Uwe Dreves
Sabrina van Dreesen Doris Prilop
Jule Roswitha Stadlmann
Mischa Gerd Lukas Storzer
Herwig Müller Eckhart Strehle
Uli Wessling u.a. Thorsten Tinney
Kalle Kornowski Ulrich Wiggers
Band
Gitarre Johannes Gehlmann / Erich Gramshammer
Bass Daniel Zenke / Ralph Gräßler
Reeds Max Teich / Sydney Pfnür
Synthesizer Markus Mittermeyer
Klavier Hans-Peter Kirchberg / Tobias Bartholmeß
Schlagzeug Stephan Genze / Philipp Schmidt
Spieltermine 1., 3., 5.-7., 10.-14., 17.-21., 24./25., 28. und 30.-31. Mai sowie 1. und 3./4. Juni 2006, 20 Uhr
Karten 9-21 Euro, Vorbestellung unter 030 / 6889 0777, unter tickets@neukoellneroper.de sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen